Fränkisch Schafkopf
Sie notierte sich die Buchstabenreihe und fuhr über den Thumenberger Weg Richtung Ebensee.
Auch das stattliche mit Holz verkleidete Haus der Harrers schien verlassen, die Fenster waren unbeleuchtet. Doch diesmal hatte sie Glück. Nach kurzer Zeit schon öffnete Monika Harrer die Haustür. Ein Hauch von AnmaÃung lag auf ihrem Gesicht. Also fühlte sie sich wieder sicher nach dem blamablen Intermezzo von heute Vormittag. Ohne Gruà fragte sie nach dem Grund ihres Erscheinens in einer Art und Weise, dass sich Paula wie eine aufdringliche Staubsaugervertreterin vorkam.
»Ich würde mich gern mit Ihrem Mann und mit Ihrem Sohn Sebastian unterhalten. Sind sie da?«
»Um diese Zeit?«, lautete die empörte Gegenfrage. »Meinen Sie nicht, dass es für eine Unterhaltung schon etwas spät ist?«
»Leider können wir uns für unsere Vernehmungen «, sie betonte das Wort amtlich, »nicht immer die Zeiten aussuchen, die den zu Befragenden genehm wären. Wofür Sie bitte Verständnis haben wollen.«
Immer wenn sich Paula Steiner derart gestelzt ausdrückte, war sie kurz davor, ins genaue Gegenteil zu verfallen â in eine sehr rustikale Sprache, die auch unter formaljuristischen Gesichtspunkten einige originelle Normabweichungen zu bieten hatte. »Also kann ich sie jetzt sprechen?«
»Nein. Beide sind auÃer Haus. Und ich habe keine Ahnung, wann sie zurück sein werden. Aber wenn Sie hier«, Frau Harrer deutete auf das Polizeiauto, das direkt vor der Haustür stand, »auf sie warten wollen, steht Ihnen das natürlich frei.«
Paula antwortete nicht, zog lediglich â schon zum zweiten Mal an diesem Abend â einen der Vordrucke aus ihrer Tasche, den sie ratzfatz ausgefüllt hatte und nun Frau Harrer überreichte.
»Das ist eine Vorladung für Ihren Mann und für Ihren Sohn. Punkt elf haben sich beide im Präsidium am Jakobsplatz einzufinden und sich bei mir zu melden. Falls nicht, werden sie von meinen Kollegen abgeholt und ins Präsidium überstellt.«
AnschlieÃend lobte sie sich für ihre extreme Selbstbeherrschung â früher hätte sie in solchen Situationen noch die Formel benutzt »lasse ich polizeilich nach ihnen fahnden und sie dann vorführen«. Leider hatte sie es in der Vergangenheit aber oft genug mit Personen zu tun gehabt, die über ausreichendes juristisches Know-how verfügten, um ihre Drohung als wirkungslos, ja sogar als illegale AmtsanmaÃung einordnen zu können.
Schade nur, dass ihre Selbstbeherrschung von Frau Harrer nicht entsprechend gewürdigt wurde. »Wir werden sehen, ob wir es einrichten können. Auf jeden Fall werden mein Mann und Tobias, falls sie kommen, in Begleitung unseres Anwalts erscheinen.«
Doch dieser letzte Konter in dem abendlichen Geplänkel zwischen den beiden Frauen verpuffte. Paula war bereits wieder auf dem Weg zu ihrem Auto, das sie verärgert startete und dann in Richtung Rathenauplatz lenkte. Eigentlich hatte sie vorgehabt, auch Karl Weberknecht noch einer eingehenden Befragung zu unterziehen. Eigentlich. Als sie aber die leere ÃuÃere Sulzbacher StraÃe entlangraste, überkamen sie Zweifel und Unlust. Während sie und Frau Brunner sich den lieben langen Tag die Beine für Heinrich ausrissen, saà der tatenlos daheim und trank Tee! Sie sehnte sich so sehr nach ihrem Feierabend, vor allem nach einem Glas Wein, dass ihr jeder weitere Termin als übertriebener Aktionismus erschien. Als vertane Zeit. AuÃerdem hatte sie Hunger. Also fuhr sie heim.
Im Vestnertorgraben angelangt, stieg sie als Erstes in den Keller. Auf der Fahrt hierher hatte sie genau überlegt, welcher Kandidat aus ihrem Weinlager sich als Abschluss dieses verworrenen und arbeitsreichen Tages anböte. Es kam dafür nur einer in Frage â die letzte Flasche LâAlycastre Porquerolles, ein Côtes de Provence aus einhundert Prozent Vermentino. Zwar ein angeberischer Wein, aber eben auch einer, der in den Fachzeitschriften als groÃes Gewächs gefeiert wurde. Sie freute sich auf ihre Wohnung und den ersten Schluck.
Nachdem sie eine Fertigpizza, Spinat mit Mozzarella, in den Backofen geschoben hatte, entkorkte sie die Flasche. Goss behutsam die goldene Flüssigkeit in ein Glas und schnupperte daran, bevor sie zum Trinken ansetzte. Es roch wagemutig nach einer prickelnden Mischung aus Beeren und Meer. Doch als die Pizza
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