Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Maul, das spitz war wie eine Rattenschnauze, richtig hinein. Und er saugte geräuschvoll das Mark aus den Knochen. Bao Guan war außer sich, er stürmte hinaus, stopfte im Mondlicht Pulver und Kugel in seinen Flinte, kam zurück und hielt Mo Erwa fest, damit ich ihn fesseln konnte. Als wir diese fünf Leute, jung wie alt, zusammengebunden hatten und zur Brigade brachten, war es schon hell.
Als Beweis füllten wir einen halben Beutel mit Knochenstücken, und auch den Schädel gruben wir aus einem Erdhaufen neben der Hütte aus, es waren nur noch die Knochen übrig, kein Gesicht, kein Gehirn, ein schauderhaftes Verbrechen! Der Parteizellensekretär der Brigade konnte sich nicht mehr beruhigen, er fungierte zeitweise als Richter und war ein Meister seines Fachs, doch die Familie von Mo Erwa fing vor dem Richterstuhl an, etwas von Unrecht zu zetern.
Er sagte: »Als Shu Caimei auf die Welt gekommen ist, hat es an Milch gefehlt, nicht einmal Reissuppe hatten wir genug, wir haben sie mit Mühe und Not bis ins zweite Jahr durchgebracht, sie hat nicht einmal richtig laufen können, es war Bestimmung, sie sollte nicht länger leben.«
Der Parteizellensekretär brüllte: »Wisst ihr denn nicht, dass es ein schweres Verbrechen ist, einfach so einen Menschen zu töten?«
»Anstatt mit ihr zu verhungern, ist es besser gewesen, dass ihr Tod zu etwas gut war und der Familie half zu überleben!«, gab er zurück.
Seine Frau machte einen Kotau und jammerte, die ganze Familie hätte Guanyin-Erde gegessen, ohne etwas Richtiges in den Magen hätten sie das nicht überstanden. Ihr Mutterherz habe die kleine Shu Caimei so lieb gehabt, bei der nächsten Reinkarnation werde sie nicht als Mensch wiederkehren.
Die Familie von Mo Erwa wurde einen Tag eingesperrt und dann freigelassen, wieder und wieder untersuchten die Kader der Produktionsbrigade den Fall, wogen ihn hin und her und entschieden schließlich, diesen Fall von Kannibalismus niederzuschlagen, sie dachten an ihre Karriere.
LIAO YIWU:
Es ging um Menschenleben, und sie haben es gewagt, das nicht nach oben zu melden?
ZHENG DAJUN:
Als wir Wang Jiefang verhörten, haben wir das auch gefragt, sogar in demselben Wortlaut. Aber dann kam die Gegenfrage: Was können die denn tun, wenn wir es melden? Der Staat hatte genug Schwierigkeiten.
LIAO YIWU:
Man hätte sich Sorgen um Staat
und
Volk machen können!
ZHENG DAJUN:
Ich sagte, wenn man es meldet, dann kann man den Kannibalismus stoppen, das ist eine ungesunde Tendenz, und wenn die Volksregierung noch mal Schwierigkeiten hat, könnte sie auch Getreide ausgeben.
Wang Jiefang sagte: »Unsere Brigade hat schon die Ausgabe von Getreide befohlen, pro Haushalt siebzig Pfund ungeschälten Reis aus den Lagern, aber aufs Jahr gerechnet reicht das nicht einmal für den hohlen Zahn.«
LIAO YIWU:
Ich habe in der Bibliothek einiges an Primärmaterial zu den »drei Jahren Naturkatastrophe« durchgesehen, es war wirklich schlimm, selbst der Vorsitzende Mao trug geflickte Kleider und pflanzte vor seinem Haus Gemüse; und Staatspräsident Liu Shaoqi sammelte vor der Stadt wilde Früchte, ein Nahrungsersatzmittel bei all dem Hunger. Die Führungspersönlichkeiten des Zentralkomitees forderten nacheinander eine Senkung des Lebensstandards.
ZHENG DAJUN:
Diese Berichte kenne ich. Ich glaube, das Ganze muss man dem Sekretär des Büros von Xinan auf die Rechnung setzen, er verheimlichte dem Zentralkomitee alles, er war zuständig für den staatlichen Einheitsan- und -verkauf [75] , er machte das noch, als die Menschen schon am Verhungern waren, er färbte weiterhin alles schön, das Getreide könne gar nicht alles verbraucht werden, soundsoviel könne man noch den Schwesterprovinzen als Unterstützung zukommen lassen und so weiter. Was soll’s, das führt zu weit, jedenfalls starben die Menschen wie die Fliegen und nicht nur der Buchhalter Wang Jiefang, auch der Leiter der Produktionsgruppe, der ebenfalls Kannibalismus getrieben hatte, klammerte sich an unsere Beine und vergoss bittere Tränen.
LIAO YIWU:
Haben auch Kader Menschenfleisch zu sich genommen?
ZHENG DAJUN:
Wer an der Macht ist, hat eine Nahrungsmittelgarantie. Natürlich muss der kein Menschenfleisch essen; aber unter den normalen Familien der Kommunemitglieder weitete sich der Kannibalismus zu einer Katastrophe aus. Kaum war Mo Erwa entlassen, da ging die Nachricht um wie ein Lauffeuer, und das Ganze wurde so verstanden, als habe die Regierung stillschweigend die Erlaubnis für
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