Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Verwandten gossen ihnen Tongöl in den After. Wenn sie mich kommen sahen, schrien diese vom Tode gezeichneten Gestalten: »Die Regierung! Die Regierung! Wir haben kein Menschenfleisch gegessen, bei unserem Leben, wir haben kein Menschenfleisch gegessen!«
Wenn ich ihnen befahl, die Türen flach hinzulegen, erklärten mir die Kommunemitglieder: Der Geschmack von Tongöl sei großartig, aber wenn man es in den Mund einflöße, komme es wieder hoch und dringe nicht bis in die Därme vor, außerdem gehe es so schneller.
Ich sagte, im Tongöl sei Gift, sie sollten frisches Rapsöl nehmen.
Daraufhin sie: Sie hätten ein, zwei Jahre und länger schon kein Rapsöl mehr auch nur zu riechen bekommen, aber solange sie nur den Schlamm aus ihnen herausbringen würden, wären sie schon mit den verfaulten Därmen zufrieden.
Ich sagte, das geht nicht. Alle fanden, das geht. Vergammelte Därme seien immer noch besser, als dass einem vom Schlamm die Bäuche aufgehn und platzen.
LIAO YIWU:
So leben nicht einmal Ameisen.
ZHENG DAJUN:
Wenn ich noch etwas sagen darf – das tote Pferd hat das kranke Pferd geheilt. Wenn ich heute zurückdenke, dann waren die chinesischen Bauern treu wie Gold, selbst im Angesicht des Todes sind sie nicht auf den Gedanken gekommen, eine Konterrevolution anzuzetteln. Trotzdem, die Partei hatte die Gewehre und keine Angst vor einer Konterrevolution – und neben den Gewehren waren unsere Arbeitsgruppen die politische Feuerwehr, wo immer es brannte, wir waren vor Ort.
Der alte Grundbesitzer
Mein Großvater war ein alter Grundbesitzer im Heiping-Gebiet im Kreis Jianting in der Provinz Sichuan, er starb 1988 im Alter von 84 Jahren. Er hatte mit seinen Feldern kein Glück und kam ein Leben lang aus seinem Kreis nicht heraus. Den tiefsten Eindruck bei mir hinterließ seine Knausrigkeit. Pökelfleisch und Erdnüsse lagerte er sieben, acht Jahre auf dem Speicher, und er rückte nur äußerst widerstrebend damit heraus. Doch wie man bei uns zu Hause erzählte, hatte er eine ganze Menge Geld verliehen, ein paar Jiao hier, ein paar Yuan da, und wenn die anderen es nicht zurückgaben, wagte er nicht, es einzufordern. Ich hätte ihn immer gern gefragt, warum das so war. Und jetzt geht das nicht mehr.
Mein Schriftstellerkollege Zhou Wule linderte mein Bedauern, denn sein Großvater Zhou Shude war ebenfalls Grundbesitzer auf dem Land, er ist in diesem Jahr 89 Jahre alt geworden, und seine Sprache und sein Kopf sind noch ganz klar. Am 3 .?Februar 1998 stand ich mit meiner Freundin You Songyu in aller Frühe auf, bestieg einen Überlandbus und erreichte nach ein paar hundert Kilometern am Nachmittag des gleichen Tages den Kreis Soundso im Norden von Sichuan. Am folgenden Tag war schönes Wetter, wir fuhren weiter zu einem Dorf, gingen noch ein paar Kilometer zu Fuß, um dann endlich bei dem alten Herrn Zhou Shude anzuklopfen. Als ich das Aufnahmegerät aufbaute, seufzte ich voller Ungeduld: »Da hat es einmal Hunderttausende von Grundbesitzern bei uns gegeben, aber so einen interessanten alten Pfeffersack wie den Herrn Zhou findet man selten!«
***
LIAO YIWU:
Großvater, in Eurem Alter, was wünscht man sich da noch?
ZHOU SHUDE:
Wünschen? Ich bin ein einsamer alter Mann. Ich habe zwar drei Söhne und drei Töchter großgezogen, aber von denen ist keins mehr da. Die wollen alle hoch hinaus und arbeiten außerhalb. Und von meinen Enkeln ist Wule der bravste, im letzten Jahr war er zweimal hier und hat nach mir gesehen. Du bist ein Kollege von ihm, nicht?
LIAO YIWU:
Ein Freund. Aber auch ein Kollege, wir schreiben beide.
ZHOU SHUDE:
Aha. Literaten.
LIAO YIWU:
Euer Haus hier ist ganz schön heruntergekommen, haben Wule und sein Vater kein Geld, um es zu renovieren?
ZHOU SHUDE:
Er will, dass ich nach Fanjiagou gehe, wie meine zweite Tochter, für meinen Unterhalt würde er aufkommen. Aber wer kümmert sich dann um die Gräber der Ahnen? Wenn ich umziehe, dann gibt es niemanden mehr aus dem Klan von Zhou Jiaping, dann wird das Land anderen Leuten zugeteilt. Du darfst nicht darauf achten, wie heruntergekommen das Haus ist, du musst sehen, was für ein Viereckhof es früher einmal war! Der rechte Flügel, der linke Flügel, das Mittelgebäude, die Ohrengebäude und rechter Hand der Querflügel. Das Fundament hat mein Großvater gelegt und es an meinen Vater weitergegeben. 1943 hat mein Vater die Hände endgültig in den Schoß gelegt, er hatte sich totgeschuftet. In seinem Testament hat er Haus und Hof zu
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