Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
kam der in den Töpfen bis zum Gehtnichtmehr ausgekochte Kleiebrei. Später habe ich begriffen, dass nur um der Anwesenheit der Arbeitsgruppe gebührend Rechnung zu tragen, derart hochwertige Lebensmittel ausgegeben wurden – hochwertig, weil man in ihnen »den Reis sehen« konnte –, an normalen Tagen gab es zu allen drei Mahlzeiten in Wasser gekochte rote Bohnen, ein Mann bekam nicht mehr als zwei kleine Portionen; oder man kochte Wildgemüse in Wasser und rührte ein paar kostbare Reisspelzen hinein, und wenn es dann auch noch ein paar alte Maiskörner gab oder ein paar getrocknete Erbsen, war das fast schon ein Luxus.
Wir vier verbargen uns draußen und sahen dem Ganzen eine Weile aufmerksam zu. Der alte Wang aus unserer Gruppe deutete an, dass der Parteizellensekretär der Produktionsbrigade das nicht gerne publik gemacht haben wollte. Tische und Bänke waren spurlos verschwunden, die Leute erhielten ihr Essen und stopften es sich hastig in den Mund, aber es gab niemanden, der sich an dem wallenden Brei verbrannt hätte. Die Kolonne rückte weiter vor, außer dem Klappern der Löffel in den Reisschalen war es totenstill. Am Ende setzten sich alle hin, es bildeten sich neun Kreise, über die Hälfte der Leute leckte die Schalen aus, und zwar sehr geflissentlich, fast wären sie auf der anderen Seite der ohnehin schon durchsichtigen Schalen wieder herausgekommen. Wer das nicht tat, der atmete mehrmals tief durch, als sei das Essen eine körperliche Anstrengung gewesen. Wir waren wie vor den Kopf geschlagen und sahen uns völlig ratlos an. Als Parteikader schämten wir uns zutiefst für unsere noch nicht vor Hunger eingefallenen Körper!
Der Parteizellensekretär der Produktionsbrigade hingegen nutzte unsere Erstarrung, trat in die Tür und brüllte: »Begrüßt die Genossen von der Arbeitsgruppe!«
Alles erhob sich und klatschte. Was sollten wir machen, wir kamen aus unseren Verstecken und begrüßten alle. Zu unserer Überraschung begannen die Mitglieder der Volkskommune rhythmisch zu klatschten und dazu zu deklamieren: »Die Volksküchen sind gut, ein jeder wird satt, ein Glück, wer Partei und einen Mao hat!«
Das wiederholten sie dreimal, dann sind fünf, sechs von den Leuten einfach umgefallen, weil das Ganze über ihre Kräfte gegangen war. Ich rief sofort nach Hilfe, der alte Wang nahm einen Schiffszwieback heraus, den er vor unserem Aufbruch eingesteckt hatte, brockte ihn in die Schalen der Leute und übergoss ihn mit abgekochtem Wasser.
Am gleichen Abend wurde eine Vollversammlung der Volkskommune abgehalten, um die »12 Regeln« publik zu machen. Als in aller Öffentlichkeit verkündet wurde, der zu Zeiten der »Gleichmacherei und Vergeudung« eigenmächtig verteilte Privatbesitz werde den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben, brachen viele Kommunemitglieder vor Aufregung in Tränen aus. Ein armer alter Mann mit Namen Nie Dongshan sagte: »Am Ende darf man wenigstens unter seinem eigenen Dach sterben!«
Doch die Kader der Produktionsbrigade und der Produktionsgruppe machten ein finsteres Gesicht, keiner gab einen Mucks von sich. Nach der Versammlung beschwerte sich der Parteizellensekretär der Produktionsbrigade: »Jetzt kommen sie daher und korrigieren den Wind des Kommunismus, das hat nicht mehr viel Sinn, in den letzten Jahren hat sowieso jeder mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest war, von den kollektivierten Sachen ist überhaupt nichts mehr da, sogar die irdenen Krüge für die Reisspreu sind dabei zu Bruch gegangen. Wenn der große Fluss unterbrochen wird, trocknen die Bäche aus, was hat das für einen Zweck, wenn die jetzt wieder unter ihrem eigenen Dach wohnen, Ziegel kann man nicht essen.«
Ich kritisierte derart pessimistische Gefühle, und obwohl ich der Ältere war, widersprach der Parteizellensekretär: »Nach dem Gewissen der Kommunistischen Partei habe ich als Sekretär niemanden in der Volkskommune ungerecht behandelt. Außer dem bisschen, das es zu essen und zu trinken gab, wenn führende Kader zur Inspektion vorbeikamen, habe ich keinen erkennbaren Vorteil aus meiner Stellung gezogen. Jedes Jahr verhungern mehr Mitglieder der Volkskommune, fühle ich mich dabei etwa wohl? Und was machen die fünf großen Produktionsgruppen im Houshan-Gebirge? Die essen Menschenfleisch …«
Wir waren entsetzt!
Ich fiel ihm ins Wort: »Reden Sie keinen Unsinn, ich werde Sie zur Verantwortung ziehen!«
Da schlug der Parteizellensekretär sich dröhnend gegen die Brust:
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