Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
sondern meine Kinder und Enkel. Denn der gute Wule durfte wegen seines schlechten Klassenhintergrunds nicht zur Armee und nicht zu den Arbeitern, er hat mehr als einmal heimliche Tränen vergossen. Aber als ich 1979 die Mütze los war, hat er die Prüfung für die Universität abgelegt, und das Glück hat Einzug gehalten, und das war zehnmal besser als Soldat sein oder Arbeiter. Auch meinen anderen Kindern und Enkeln geht es nicht schlecht, sie essen alle das Brot des Kaisers – haha, das haben wir früher gesagt, wenn jemand beim Staat angestellt war. Und meine Urenkel gehen alle zur Grundschule.
LIAO YIWU:
Ein Grund mehr, dass Ihr noch einige Jahre Euer gesegnetes Alter genießen solltet, es steht Euch zu!
ZHOU SHUDE:
Du hast dich hier doch umgeschaut, auf diesem Hof bin nur noch ich übrig, von den anderen sind die einen tot, die anderen weggezogen. Es sieht so aus, als hätte ich da in meiner Südostecke meine ganze vorbestimmte Lebensspanne ausgeschöpft, von den Männern der anderen Familien hat keiner die fünfzig überschritten. Das glaubst du nicht? Vor zwanzig Jahren bestand der halbe Hof aus Witwen, allen voran meine Schwägerin. Mein Bruder Zhou Shugui und meine Frau Zhou Wangshi sind alle während der Hungerjahre umgekommen. Man darf nicht sagen, dass das die Vergeltung war, denn die Toten sind groß, auch wenn Zhou Shugui mein Feind war.
LIAO YIWU:
Ihr solltet mit Euren Kindern und Enkeln zusammen sein und wissen, wo Ihr hingehört.
ZHOU SHUDE:
Der Vater Wules hat mich zwei Monate in die Kreishauptstadt geholt, wo ich mich von einer Krankheit erholt habe. Er ist Lehrer an einer Mittelschule, ein sehr geachteter Mann, aber ich altes Landgewächs kann mich nicht an das Hochhaus gewöhnen, das ist wie in einem Taubenkäfig, man kann nicht einmal hinuntergehen, um frische Luft zu schnappen, wenn einem danach ist, sofort steht eine Bande von Mittelschülern kichernd um einen herum und gafft. Einmal saß ich unter einem Basketballkorb in der Sonne, hatte die Hosenbeine hochgekrempelt, um Läuse zu fangen, da ging das Geschrei auch schon los. Im Dorf hätte sich niemand darum geschert. Aber in der Schule! Wie kann auch der Vater vom Herrn Lehrer sich vor allen Leuten die Läuse fangen? Und dann noch das Kraut, das ich rauche, daran kann sich wiederum mein Sohn und seine Frau nicht gewöhnen, es kam soweit, dass ich zum Rauchen vors Haus gehen musste. Ach, und in der Stadt gibt es zu viele Bestimmungen und Regeln, wenn man auf der Straße auf den Abort will, muss man dafür zahlen, was soll da bequemer und freier sein als auf dem Land? Wenn man da einen Haufen in den Hof setzt, dann ist er am nächsten Morgen nicht mehr da, die wilden Hunde haben alles fein säuberlich weggeleckt.
Ich bin ständig mit Wule und den anderen über kreuz, ein paar von den Jüngeren gehen ihren Eltern ständig auf die Nerven, von wegen, sie wollten den Hof hier abreißen. Nun gut, es stimmt ja, das kann man nicht mehr einen Viereck-Hof nennen, drei Seiten sind zerfallen, und wo ich wohne, sind die Termiten drin, nachts kann man sie nagen hören. Am Anfang hat es mich noch überlaufen, wenn ich sie hörte, aber langsam habe ich mich daran gewöhnt. Das Haus hier wird immer leichter, schwer zu sagen, wann es endgültig zusammenfällt. Aber das Fundament ist aus Steinen gestampft, das kriegen sie nicht klein. Und die beiden steinernen Löwen vor dem Mittelgebäude, deren Köpfe habe ich so glatt poliert. Das ist ein hundert Jahre alter Hof, die Jungen wissen gar nicht, dass es mich umbringen würde, wenn ich hier wegmüsste, was sollte ich denn mit einem besseren Haus anfangen?
LIAO YIWU:
Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr so dickköpfig seid. Ihr wart ein paar Jahrzehnte Grundherr, Ihr seid kontrolliert worden und habt Euch ins Unvermeidliche geschickt, jetzt müsst Ihr frei sein!
ZHOU SHUDE:
Richtig. Am meisten verdrießt es mich, wenn ich kontrolliert werde. Wenn meine Kinder und Enkel einmal in ihre alte Heimat zurückkommen, wagen sie es nicht, in diesem Haus zu wohnen, sie haben Angst vor Flöhen. Ich habe Katzen, erst war es nur ein Pärchen, nachher kam eine ganze Reihe von Würfen, die Tiere kommen gern in mein Bett und schlafen neben mir. Wenn man alt ist, friert man die ganze Nacht, aber wenn sie bei mir liegen, wird mir warm, und sie verjagen die Mäuse. Ich rede oft mit ihnen, in der Sprache meiner Generation. Voriges Jahr ist Zhou Shuzhong gestorben, er war zwei Jahre älter als ich, er kam oft auf den Hof,
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