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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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um über die alten Zeiten zu reden, jetzt ist niemand mehr da, mit dem man das kann, nur noch die Katzen sind geblieben, wer weiß, vielleicht sind sie Reinkarnationen von Verstorbenen. Im Winter kuscheln sie sich unter die Decke und schnarchen, dann muss ich immer an meine jungen Jahre denken, wenn ich als Salzhändler in einer Herberge übernachtete und auf einer gewöhnlichen Pritsche ein gutes Dutzend Leute lagen.
    LIAO YIWU:
    Können Katzen Krankheitserreger übertragen?
    ZHOU SHUDE:
    Ich habe mehr Krankheitserreger als die Katzen.
    LIAO YIWU:
    Haha, so ist das. Trotzdem, das Dach hier ist durch, an einer ganzen Reihe von Stellen sind Pfützen auf dem Boden.
    ZHOU SHUDE:
    Hauptsache, das Bett steht im Trocknen.
    LIAO YIWU:
    Verlangt Ihr so wenig vom Leben? Euer hohes Alter ist wirklich kein Wunder!
    ZHOU SHUDE:
    Für jemanden wie mich gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Leben und Tod.
    LIAO YIWU:
    Ihr seid kein Grundbesitzer, sondern ein Mönch, der einen zerfallenen Tempel bewacht.
    ZHOU SHUDE:
    Wie sollte denn deiner Meinung nach ein Grundbesitzer sein?
    LIAO YIWU:
    Er sollte Urkunden in der Hand haben, mit denen er seinen ehemaligen Besitz dokumentieren kann, wenn die Zeit dafür kommt. So jedenfalls steht es in den Schulbüchern der Grundschule.
    ZHOU SHUDE:
    Du machst dich lustig. Trotzdem, den zerfallenen Tempel werde ich nicht mehr lange bewachen können, die Leute aus dem Dorf kommen oft zu mir und wollen etwas, was ich mir geflochten habe: das Tragegestell für den Rücken oder den Käfig für Heuschrecken oder den Regenumhang aus Palmbast oder Stroh oder den Bambushut und und und. Auch meine Schale und meine Stäbchen haben sie mitgehen lassen. Nach dem abergläubischen alten Spruch dürfen diejenigen, die an der Beerdigung eines sehr alten Mannes teilnehmen, seine alltäglichen Gebrauchsgegenstände mit nach Hause nehmen und sie ihren Kindern geben, damit sie gesegnet sind und ein langes Leben haben. Aber ich bin noch gar nicht tot, die Leute können es nicht erwarten.
    LIAO YIWU:
    Ihr habt Humor, Großvater, ich hoffe mit Wule, dass Ihr doch noch in die Stadt zieht! Natürlich ist der Ort, wo seine Schwägerin lebt, auch nicht schlecht, die Gesellschaft hat Fortschritte gemacht, das Leben ist besser geworden, überall gibt es Leute, die mit einem hohen Alter gesegnet sind und sich im Schattenboxen üben, die angeln, und wo man auch Katzen und Hunde halten darf. Versuchen Sie doch, mit anderen Menschen zusammenzukommen, vielleicht vertragt ihr euch ja, wer weiß, es gibt so viele Menschen, die Eure Geschichten gerne hören würden.
    ZHOU SHUDE:
    Und wo soll ich den Sarg hinstellen?
    LIAO YIWU:
    In der Stadt sind Feuerbestattungen der letzte Schrei, Ihr braucht den Sarg überhaupt nicht mitzunehmen.
    ZHOU SHUDE:
    Verbrennen lassen? Das geht nicht! Dann hat die Seele ja keine Möglichkeit zurückzukehren! Ich will dir die Wahrheit sagen: Ich habe mir mein Grab schon ausgesucht, neben der Großmutter von Wule, dort habe ich ein Loch gelassen, ein guter Ort, der Fengshui-Meister war dort, der Platz ist genau auf dem Schwanz des Phönixberges, im sogenannten Drachenkopf und Phönixschwanz sind die Erdadern sehr zahlreich. Ich habe keine Zeit, mit Leuten in der Stadt dummes Zeug zu reden, ich habe solide gelebt, vielleicht warte ich, bis alle in der Unterwelt sind, wo ich ihnen dann erzählen kann, wie gut wir es jetzt haben und wie schlecht wir es früher hatten – wenn ich jetzt an den Tod denke, muss ich lachen, ich finde, dieser Grundbesitzer war nicht umsonst da. Er sorgt für den Segen seiner Kinder und Enkel, und wie ich höre, kann man jetzt auch Häuser und Grund und Boden kaufen, da wird es wieder mehr Grundbesitzer geben.
    LIAO YIWU:
    Meint Ihr, es wird wieder eine Einteilung in Klassen geben?
    ZHOU SHUDE:
    Was mit eurer Generation wird, weiß der Himmel.

Opfer der Bodenreform
    Als ich mich im Dorf Zehei von Zhang Zhanglao von der christlichen Kirche verabschiedete, warf ich gewohnheitsmäßig einen Blick auf die Wanduhr, es war der Abend des 30 . Dezember 2005 und schon zwanzig vor acht. Ich fragte beiläufig, wie es den einflussreichsten Familien der nationalen Minderheit der Yi in ihrem Siedlungsgebiet heute so gehe. Zhang Zhanglao sagte: »Die Witwe des Distriktoberen ist noch da, ich zeige dir, wie du zu ihr kommst, und du fragst sie selbst.«
    Es war mittlerweile vollkommen finster, wir wurden von einer Einheimischen geführt und tasteten uns an den Wällen, aus denen das Dorf

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