Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
keine Filme über den Tod, ich mag lieber Komödien, einmal gelacht, um Jahre jünger gemacht. Einmal allerdings hat mich ein Tod wirklich bewegt, ein kleines Mädchen, ein Verkehrsunfall. Als sie zu uns kam, fehlte ihr der halbe Schädel. Als ich ihren kleinen Körper berührte, wurde mir ganz anders. Ich machte mich sofort daran, den kleinen toten Körper zu waschen und ihn wieder so hübsch werden zu lassen wie zuvor. Ich habe die fehlende hintere Schädelhälfte mit Silikon aufgefüllt und dann die mit flüssiger Arznei behandelte Kopfhaut darübergezogen. Ich habe wirklich Haar für Haar in Ordnung gebracht, und ihren dicken Pferdeschwanz zu einem Zopf geflochten, ganz allein, und nachdem ich ihr ein leichtes Puder und Rouge aufgetragen hatte, war das kleine Wesen in seinem weißen Kleidchen so strahlend, dass es eine Freude war. Und die französische Wimperntusche, mit der ich sie noch geschminkt habe, machte ihre Augen unerforschlich tief. Ich war ganz fasziniert von meiner Arbeit und habe mein Herzblut daran gesetzt, ein wirkliches Kunstwerk zu schaffen. Und was meinen Sie, war das Resultat?
LIAO YIWU:
Ich wage es mir nicht vorzustellen!
ZHANG DAOLING:
Alle, die in die Trauerhalle gekommen waren, umarmten diesen lieben kleinen Engel, es wurde viel geküsst und geweint. Ich verbarg mich an der Seite, dass jemand auf mich aufmerksam werden und mir ein Glas Wasser reichen würde, so viel Ehrgeiz hätte ich nie zu haben gewagt! Ich betete nur still zum Himmelgott, dass mein Werk eine Weile halten möge, wenigstens noch eine Nacht, damit ich noch einmal alleine einen Blick auf sie werfen und ihr ein paar Blumen und Spielsachen schenken könnte. Aber sie war so schnell im Brennofen verschwunden! Ich hatte sie erst vor einer Stunde verlassen! Das Schöne muss vergehen, so ist das.
LIAO YIWU:
Seien Sie nicht traurig, Meister Zhang. Das Schöne hat durch seine Vergänglichkeit tiefe Spuren in Ihnen hinterlassen und solche Spuren sind unvergänglich. Es gibt nicht viele Menschen, die dem Tod etwas Schönes abgewinnen können. Jetzt haben Sie mir diese Empfindung weitergegeben, und wenn wir beide die Vergänglichkeit der Schönheit betrauern, dann ist sie ewig.
ZHANG DAOLING:
Sie sind wirklich ein Schriftsteller, so wie Sie reden können.
LIAO YIWU:
Aber was ich sage, stimmt. Es hat in der Geschichte vieles gegeben, was unwiederbringlich verloren ist, aber Sie glauben fest daran, dass es einmal existiert hat. So bleibt Ihnen von dem Augenblick, in dem der Tyrann seiner Konkubine Lebewohl sagt [94] , nur noch das Lied in Erinnerung, das der in die Enge getriebene Tyrann singt, und die Szene, in der seine Konkubine dazu tanzt und sich eigenhändig die Kehle durchschneidet. Sie alleine denken an diese sonst für immer vergessene Geschichte, Sie alleine versehen sie unablässig mit neuen Vorstellungen und neuem Sinn. Die Konkubine Yu in ihrer unbeschreiblichen Schönheit ist genauso vergangen wie Ihr kleines Mädchen – aber das hat natürlich mit der Welt des Alltags wenig zu tun.
ZHANG DAOLING:
Aber ich bin alt, meine Augen und meine Hände sind nicht mehr so genau. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, was Sie da gesagt haben, habe ich doch begriffen, dass Sie mich loben. Mich hat noch nie jemand mit so wohlklingenden und verschwommenen Formulierungen gelobt. Heute ist der Beruf des Leichenschminkers sehr schwierig geworden. Das wollen nicht mehr viele machen, und selbst wenn sich junge Leute dazu bereit finden, dann sehen sie nur aufs Geld. Meine innere Energie ist aufgebraucht, was soll ich mit meinem Ruhestand jetzt anfangen? Ich spiele weder Schach noch Karten, ich kann auch nicht den Tag mit Plaudereien verbringen, ich bin voll bis obenhin mit Geschichten vom Tod, das will doch keiner hören.
LIAO YIWU:
Sie könnten sich eine Katze oder einen Hund halten, angeln gehen oder so etwas, jeder macht, was ihm Spaß macht.
ZHANG DAOLING:
Ich habe Angst, für jemanden Gefühle zu entwickeln, eine Katze und ein Hund sind da keine Ausnahme. Wenn es ihnen zu viel wird, dann machen sie sich auf und davon, und du stehst da. So viele gute und schöne Menschen hat es hinweggerafft, und auch wenn ich mir alle Mühe gegeben habe, sie anständig zu schminken und ihnen für eine kurze Zeit ihr Aussehen wiederzugeben, das war nur Schein. Ich will nie wieder etwas verlieren. Das Schlimmste ist ja nicht der Tod, sondern dieses ständige Verlieren von etwas. Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, schaust du dich um und
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