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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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wäre es auch okay gewesen. Kurz gesagt, ich habe einfach die günstige Gelegenheit des Jahres 1989 genutzt. Verdammt nochmal, es war, als würden wir schlafwandeln, wir haben unterwegs keinen einzigen Soldaten gesehen und betraten schließlich das Hoheitsgebiet von Myanmar.
    Als Ai Shan uns mit seinem einen Arm der Reihe nach auf die Schulter klopfte und Anstalten machte, sich zu verabschieden, hatten wir noch gar nicht kapiert, was passiert war.
    »Das geht nicht!«
    Der Journalist reagierte am schnellsten, er packte unseren frommen Führer und sagte: »Woher zum Teufel sollen wir wissen, dass dieser öde Gebirgszug hier wirklich Myanmar ist!«
    Um uns war es totenstill, wir standen auf dem Hintern eines sattelförmigen Bergrückens, und durch hüfthohes Gebüsch und Unkraut hindurch konnte man in weiter Ferne schemenhaft einen Fluss erkennen. »Der Menggu«, sagte Ai Shan in seinem holprigen Chinesisch, »ist in Myanmar, meine Aufgabe ist beendet.«
    »Warum haben wir unterwegs keinen einzigen Soldaten gesehen?«, fragte der Gemeindekader misstrauisch. Ai Shan spottete: »Hättet ihr lieber einen getroffen?«
    Keiner von uns dreien ließ von Ai Shan ab, ich zog sogar ein Messer und verlangte von ihm drohend, uns weiterzuführen, dieses fremde Land sei zu gefährlich. Ai Shan wurde wütend, schlug mit seinem einen ausgestreckten Arm im Kreis um sich, und wir drei wurden ein gutes Stück nach hinten geschleudert. Er packte das Wasser und den kalten Reis auf den Boden und zeigte nach unten: »Geht den Menggu entlang, dann kann euch nichts passieren. Und passt auf, dass ihr nicht den Partisanen in die Arme lauft.«
    Die Sonne war inzwischen aufgegangen, Ai Shans Kutte blähte sich im Morgenwind. Er verschwand mit großen Schritten und war ein paar Sekunden später nicht mehr zu sehen. Der Journalist schlug vor, erst im Dunkeln den Berg hinunterzugehen, doch der Gemeindekader und ich waren dagegen, denn wir sahen in der Ferne bereits Häuser aus Bambus und Reisfelder und fanden, dass wir nicht noch mal wie dumme Jungen hier schlafen sollten.
    »Was machen wir, wenn der Grenzschutz kommt?«
    »Wir haben die Grenzschutzstation schon vor etlichen Meilen passiert«, sagte der Journalist, »sie können uns nicht mehr einholen.«
    »Ich meine den Grenzschutz von Myanmar«, erklärte ich, »sollten wir geschnappt werden, werden wir festgenommen und zurückgebracht und alles wäre vorbei.«
    Wir einigten uns daraufhin, in einem Abstand von jeweils zwanzig Metern den Berg hinunterzugehen, damit so, wenn einem etwas zustoßen sollte, die beiden anderen auf jeden Fall noch Zeit hätten, sich zu verstecken. Ich bot mich an, an der Spitze den Weg zu sondieren. Zuerst konnte ich neben meinen eigenen Schritten noch die hinter mir hören, auf einmal hörte ich nichts mehr.
    Ich drehte mich um, rief ein paar Mal »Hallo, hallo«, duckte mich zu Boden und jagte schnell zurück, es war wie im Film. Wieder und wieder durchkämmte ich die ganze Gegend, fand aber meine Begleiter nicht mehr. Schließlich fiel ich vor Müdigkeit ins Gebüsch und blinzelte durch die Blätter in die Sonne. Da es noch nicht lange hell war, war sie auch noch nicht allzu heiß. Ich schlief unversehens ein, erst kurz vor Mittag jagten mich die Ameisen hoch. Die Ameisen in Myanmar sind riesig, und kaum hatte ich im Schlaf zu schwitzen angefangen, zogen sie ihre Kreise über meinen Hals. Ich schlug um mich, um den Ameisenzug los zu werden, und machte mich schnell wieder auf den Weg.
    LIAO YIWU:
    Verstehen Sie Birmanisch? Was hätten Sie gemacht, wenn Sie auf einen Einheimischen gestoßen wären?
    LI YIFENG:
    Die Bewohner des Grenzgebietes zwischen China und Myanmar haben viel Kontakt miteinander, die können ein wenig Chinesisch. In den sechziger und siebziger Jahren sind außerdem gebildete junge Leute aus Yunnan über die Grenze und haben sich dort der Volksarmee angeschlossen, um Weltrevolution zu machen. Man kann wohl sagen, wenn ein Einheimischer mich so gesehen hätte, hätte er nie daran gedacht, die Polizei zu holen, im Übrigen ist unsere Währung, der Renminbi, dort allgemein in Gebrauch, das ist vielleicht noch hilfreicher als die Sprache.
    LIAO YIWU:
    Wie es aussieht, haben Sie sich vor der Überquerung der Grenze eingehend vorbereitet. Sie sind das Risiko doch nicht nur eingegangen, weil Sie gern unterwegs sind, oder? Kommen Sie mir nur nicht wieder mit Fernweh und Veranlagung zum Vagabunden!
    LI YIFENG:
    Sie sind doch nicht von der Polizei – aus

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