Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
verloren!«
Außerdem klagte ich die Anstaltsleitung wütend an, dass sie meiner Gesundheit Schaden zugefügt und mich gezwungen hatte, Medikamente zu nehmen.
Die Vorsitzende des Frauenverbandes versprach, sich darum zu kümmern, aber sie ermahnte mich auch »zum rettenden Ufer zurückzukehren«. Danach wurde die Dosis meiner Medikamente herabgesetzt, von zweimal am Tag auf einmal.
Doch auch wenn die medikamentöse »Behandlung« geändert wurde, am Ende war die Vorsitzende des Frauenverbandes eine Vertreterin der Regierung, sie befahl der Anstalt, keinen Besuch zu erlauben, es sei denn, die Gemeindeverwaltung hätte es ausdrücklich genehmigt.
LIAO YIWU:
Warum denn das?
FRAU CHEN:
Weil sie ein schlechtes Gewissen hatten, wie alle Verbrecher, man konnte schließlich mit einem Blick erkennen, wer wirklich verrückt war und wer nicht. Und selbst wenn sie es nicht erkannt hätte, durch das Gespräch hätte sie den Unterschied zwischen einem normalen und einem kranken Menschen erkennen können. Eines Tages dann besuchte mich meine Schwester, sie kam mit dem Fahrrad und rief auf der anderen Seite der Mauer immer wieder meinen Namen. Als einer der Verrückten das mitbekam, hat er mich sofort gerufen. Aber bis ich zu der Stelle an der Mauer gelaufen war, hinter der sie nach mir rief, und antworten konnte, hatten die herbeigeeilten »Pfleger« mich geschnappt, mir den Mund zugehalten und mich weggeschleppt. Schlimmer noch war, dass auch meine Schwester vom Anstaltsleiter Deng weggezerrt wurde, wobei er ihr sogar drohte: »Noch einmal, dann stecken wir dich auch in die Anstalt!«
LIAO YIWU:
Von offizieller Seite ist immer wieder betont worden, Falun Gong sei »mit dem Teufel im Bunde« – auch wenn ich das früher nicht geglaubt habe, so war ich doch auch der Meinung, dass allzuviel Aberglauben nicht gut sei. Ich hätte nicht gedacht, dass in Wahrheit diejenigen, die Falun Gong verfolgen, »mit dem Teufel im Bunde« sind, diese Leute, die den Irrsinn produzieren und schlimmer sind als wirkliche Verrückte.
FRAU CHEN:
Glauben Sie, wir …
LIAO YIWU:
Ich kann Sie verstehen.
FRAU CHEN:
Heute hat uns das Schicksal zusammengeführt.
LIAO YIWU:
Vielleicht eine Fügung des Himmels. Ich gebe zu, Verfolgung macht Heilige, wie etwa den Dalai Lama, der 1959 vom Zentralkomitee und von unserer Regierung als Anführer einer Rebellion von Sklavenhaltern in Tibet verunglimpft worden ist. Um der Verfolgung zu entgehen, ist er unter dem Schutz der Tibeter auf sehr gefährlichen Wegen nach Indien gegangen, wo er jetzt schon seit über vierzig Jahren ist. Damals war er gerade einmal zwanzig Jahre alt, und man kann sagen, er ist ein ganz reiner lebender Buddha. Wenn die Kommunistische Partei und Mao Zedong sich ein bisschen mehr an ihr Versprechen der »Religionsfreiheit« gehalten hätten, dann wäre der Dalai Lama vielleicht noch in Lhasa und unter der Aufsicht durch die weltliche Macht zu Hause geblieben – so hat es die überwältigende Mehrzahl seiner Vorgänger gemacht. Ist der Dalai Lama, der heute als lebender Buddha weltberühmt ist, nicht auch ein Resultat der Verfolgung durch unser Regime?
FRAU CHEN:
Ich kenne den Dalai Lama, aber …
LIAO YIWU:
Entschuldigung, ich habe mich wieder einmal aufgespielt, eine alte Krankheit von mir. Ich weiß, euer Meister gilt auch als etwas Außergewöhnliches, aber der Weg, im Ausland Anhänger für ihn zu finden, ist noch lang …
FRAU CHEN:
Das Große Gesetz ist das Höchste.
LIAO YIWU:
Ich gebe es zu. Aber ich komme noch einmal auf das Thema zurück, über das wir gerade sprachen – wann sind Sie dann aus der Anstalt entlassen worden?
FRAU CHEN:
Ende 2002 , ein Polizeiwagen hat mich abgeholt und mich direkt in das Frauen-Umerziehungslager im Kreis Pujiang gebracht. Ich wurde wieder untersucht und bestand die Untersuchung wieder nicht. Aber diesmal blieben sie hart, sie wollten mich unbedingt im Lager wegschließen.
LIAO YIWU:
Und dann?
FRAU CHEN:
Der Arzt des Umerziehungslagers sagte: »Sie ist schon halbtot, und was, wenn sie uns wegstirbt?«
Die 610 er gaben zur Antwort: »Wenn sie tot ist, dann ist sie tot, was soll dann sein?« Also kam ich ins Lager.
LIAO YIWU:
Und dann?
FRAU CHEN:
Als ich zum Arbeiten draußen war, habe ich die Gelegenheit genutzt und bin geflohen, die Polizei war zu träge, um mich zu fassen.
LIAO YIWU:
Wie lang waren Sie im Lager?
FRAU CHEN:
Ich hatte zwei Jahre bekommen, ich hätte noch etwas über zwei Monate gehabt.
LIAO
Weitere Kostenlose Bücher