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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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entfernt! Es würde nicht einfach sein, den letzten Wunsch seiner Frau zu erfüllen!
    Doch just, als er nicht mehr aus noch ein wusste, zeigte ein Yin-Yang-Meister ihm einen geheimen Weg: Der Kommandeur marschierte etwas über zwanzig Meilen und heuerte in einem abgelegenen Flecken beim Deich der Glücksgötter für gutes Geld die beiden Söhne des Geistervertreibers an. Glücklicherweise war tiefer Winter, man musste der Leiche gegen die Verwesung nur einfach Quecksilber in die Körperöffnungen gießen; und es war ein Glück, dass die Gegend gerade »befreit« worden war und die neue Regierung noch nicht auf festen Beinen stand und die Hände noch nicht frei hatte, um den Aberglauben auszumerzen.
    Die beiden Brüder bekamen einen großen Batzen Geld, waren morgens zeitig auf den Beinen und abends früh in einer Herberge, wer es eilig hat, muss langsam machen. Sie plagten sich zweieinhalb Monate und konnten ihren Bestimmungsort schon sehen, es waren nur noch etwas über dreißig Meilen, also nur noch ein Tagesmarsch, da wurden sie samt der Toten hier festgenommen. Die Taschenlampe leuchtete den Weg, ihnen wurde mit den Flinten bedeutet, den Leichnam aufzunehmen und zur Gemeinderegierung zu gehen, wo sie eine Nacht lang in einem finsteren Zimmer hockten.
    Am Vormittag des darauffolgenden Tages gab es eine Kampfversammlung, alt und jung, Mann und Frau wurden mit Gongs und Ausrufen aufgefordert, sich auf der Tenne bei der Getreidestation der Gemeinde zu versammeln. Es regnete Bindfäden, und man sah die Leute hin und her rennen. Schließlich war der Platz gesteckt voll, selbst auf den Dächern und in den Astgabeln der Bäume hockten sie. Bauern kommen übers Jahr kaum einmal in die Kreisstadt, die sehen wenig von der Welt und laufen schon zusammen, wenn sich ein paar Hunde balgen.
    Auf der einen Seite der Tenne, neben dem Speicher, bauten sie eine Bühne auf, auf der der frischgebackene Gemeindevorsteher, der Leiter der Arbeitsgruppe und die drei hier stationierten Soldaten der Volksbefreiungsarmee Platz nahmen. Um die Bühne herum wurden ein paar Bänke aufgestellt, auf denen sich die Kompanieführer der Volksmiliz, der Bauernbund und Aktivisten der Regierung zusammendrängten. Als es soweit war, hielt sich der Gemeindevorsteher einen schmiede-eisernen Lautsprecher an den Mund und erklärte die große Kampfversammlung gegen Räuber und Tyrannen für eröffnet: »Landräuber und tyrannische Grundbesitzer wurden festgenommen!« Damit bildete sich in der von der Getreidestation bis zur Gemeinderegierung über hundert Meter langen Menschenmauer eine Gasse, und ein gutes Dutzend Bösewichter mit hohen Papierhüten auf dem Kopf und schwarzen Schildern um den Hals wurden herangetrieben. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt.
    Nach der Versammlung wurden fünf Mann an die Wand gestellt, Bodenräuber, Mitglieder des Paoge-Bundes und Großkopferte aus der Gegend. Es war schon Mittag, als die beiden Totenrufer auf der Bildfläche erschienen. Die Massen fingen sofort an zu krakeelen und drängten sich schaulustig heran, wobei ein paar Kinder niedergetrampelt wurden. Die Verantwortlichen vor und auf der Bühne standen auf, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie brüllten alle auf einmal in die fünf Lautsprecher hinein, die die Gemeindeverwaltung besaß: »Nicht drängeln!«
    »Gebt dem Klassenfeind keine Gelegenheit, Unruhe zu stiften!«
    »Geht zurück!«
    »Wer nicht zurückgeht, wird festgenommen!«
    LIAO YIWU:
    Regierungskader waren so daneben?
    LUO TIANWANG:
    Das war kurz nach der Befreiung, die Lage auf dem Land war schwierig; die Kader, die hierherkamen, hatten alle Hände voll zu tun, das positive Bild der Partei aufrechtzuerhalten; vor allem, wer sich auskannte und für die Bodenreform mobil machte, gewann die Herzen der Bauern. Aber bei den großen Versammlungen damals ging es ziemlich zu, das ging zu weit, das hatten sie nicht mehr vollständig unter Kontrolle. Die Leute, die an die Wand gestellt werden sollten, waren gerade weggeführt worden, als die Massen auch schon herumdiskutierten: »Wo sind denn die Totenrufer?«
    »Das ist doch ein Gerücht, oder?«
    Plötzlich erschienen sie wirklich, und einer von ihnen trug noch den Toten auf dem Rücken! Und dann auch noch eine Frau! Und dann auch noch die Frau eines Offiziers! Im Qipao! So etwas Seltsames hatten diese Dorftölpel noch nie gesehen, auf einen Schlag war der ganze Platz ein einziges wildes Geschrei, alles brüllte durcheinander: »Holla! Das tote

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