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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Flittchen!«
    Die Lokalbeamten samt den Aktivisten bildeten Hand in Hand eine Kette um die beiden Brüder, nur so brachten sie sie auf die Bühne. Die tote Offiziersgattin war Rücken an Rücken an den Älteren gebunden, wenn er den Kopf senkte, dann schaute die Offiziersgattin in den Himmel. Das Totengewand, das Lampion und den Korb mit dem Totengeld hatte man dem Jüngeren als Beweismittel an den Körper gebunden. Vor allem hatte man ihm die Papiermaske auf den Hinterkopf gestülpt – die beiden kamen daher wie Darsteller einer Gespensteroper.
    LIAO YIWU:
    Wer die Toten lästert, den straft der Herr, so jedenfalls hieß es bei der einfachen Bevölkerung in China immer. Schwer zu glauben, dass man auf einen Schlag keinerlei Ehrfurcht mehr hatte.
    LUO TIANWANG:
    Das war wie eine ansteckende Krankheit, die Menschen führten regelrechte Veitstänze auf, groß Rücksicht wurde nicht genommen. Ach, den beiden Brüdern hing außerdem ein schwarzes Schild vor der Brust: »Lakai toter Guomindangler.«
    LIAO YIWU:
    Auch die Toten hatten noch Lakaien? Das kann man sich kaum vorstellen!
    LUO TIANWANG:
    Eigentlich hätten sie als »körperlich Arbeitende« gelten müssen. Nach der Kulturrevolution bin ich dem Gemeindevorsteher, der damals den Vorsitz bei der Kampfversammlung geführt hat, zufällig über den Weg gelaufen, er war längst im Ruhestand – ich sagte, die Totenrufer hätte man wohl nicht zur Klasse der Ausbeuter rechnen sollen, oder? Er sagte, deren Geschäft war härter als die Arbeit auf dem Feld, natürlich gehörten sie zur arbeitenden Bevölkerung. Aber verdammt noch mal, dieser Beruf, das war Feudalismus, und der Einfluss dieser Totenruferei, dieses Aberglaubens und dieses Mummenschanzes war zu schlimm. Ich sagte, was für ein Einfluss denn? Die mussten halt ihren Lebensunterhalt verdienen! Der Gemeindevorsteher schüttelte den Kopf, Aberglaube sei einfach ein Betrug an den Menschen, die Widersprüche innerhalb des Volkes, da komme man nur mit Erziehung weiter. Ihr Geschäft war doch schon schwierig genug, müssen sie ausgerechnet die Frau eines Guomindang-Offiziers durch die Gegend schleppen! Ich sagte, es sei schwer vorzustellen, dass das mit anderen Toten legaler gewesen wäre. Er schüttelte wieder den Kopf und meinte, damals gab es eine ganze Reihe von Leuten, mit denen sie keine Geschäfte hätten machen dürfen wie Grundbesitzer, Reiche, Konterrevolutionäre, schlechte Elemente, Militär, Polizei, Gendarmen und Agenten; es war einfach nicht richtig, wenn jemand aus der arbeitenden Bevölkerung der Ausbeuterklasse den Totenrufer machte! Und wenn die arbeitende Bevölkerung für die arbeitende Bevölkerung den Totenrufer gemacht hätte, fragte ich. Er antwortete, offiziell sei das nicht gegangen, nur in aller Verschwiegenheit und privat, aber dann ohne Lampion, Totengeld und ähnliches abergläubisches Zeug. Als ich einwandte, die arbeitende Bevölkerung habe sich keine Totenrufer leisten können, antwortete er, dann hätten sie es umsonst machen sollen.
    LIAO YIWU:
    Das passt zu einem Kader der Kommunistischen Partei, die wollen immer alles umsonst haben.
    LUO TIANWANG:
    Das habe ich auch zu ihm gesagt, von wegen, die Kader der Kommunistischen Partei machen es sich aber einfach! Da sagte er, wir alle sollten uns an Marx ein Beispiel nehmen, meinst du denn, bei dem zu Hause ist es üppig zugegangen?
    LIAO YIWU:
    Wie ging denn das Schauspiel mit der Kampfversammlung aus?
    LUO TIANWANG:
    Die Massen sind wie die Flut, je mehr du sie eindämmst, umso höher steigt sie. Schließlich gab es ein dumpfes Grollen, alles stürzte auf die Bühne, von dem soliden Holz des Aufbaus blieb nichts übrig, selbst die Querbretter des Speichers wurden eingedrückt, und wenn einer von den Kadern auf den Bänken hinfiel, wurde er in den Speicher gestoßen. Die beiden Brüder setzten sich mit Kung-Fu zur Wehr, aber nach ein paar Sekunden wurden sie niedergetrampelt, der ganze Platz war ein einziges Durcheinander.
    Zu guter Letzt schossen die Soldaten der Befreiungsarmee zweimal in die Luft, erst da kamen die Massen ein wenig zur Ruhe. Zunächst band man dann die Tote los und brachte die beiden verletzten Totenrufer zur Gemeinderegierung. Am gleichen Abend noch sind die beiden ausgebrochen, wurden aber von Soldaten auf ihrem Kontrollgang entdeckt, gerade als sie aus dem Ort herauskamen. Sie verfolgten die beiden eine Meile, der Ältere wurde an einem Hügel von Kugeln in die Beine getroffen, er stürzte in einen hundert Meter

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