Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
zu einem hochentwickelten Sozialismus zu schaffen. Die Lage zwang zum Handeln, der Wind des Kommunismus wurde immer heftiger, die Einigkeit und die Begeisterung in den Bewegungen immer größer, am Ende ist das außer Kontrolle geraten. Der Satellit, das war der Geist der Zeit, in allen Branchen und Berufen, stählerne Satelliten, der Vier-Schädlinge-Satellit, der die Spatzen bombardiert und die Fliegen totschlägt, Lyrik-Satelliten, besonders schrecklich war der Getreide-Satellit. Der Ort, an dem ich mich befand, gehörte zu einem hügeligen Gebiet, die Felder waren fruchtbar, das Wetter war gut, es gab genug Regen, Reis von den Nassfeldern, Weizen, Mais und dazu alle Arten von Bohnen und Süßkartoffeln, alles gab es im Überfluss. Das Dorf galt traditionell als reich und dichtbevölkert, aber kaum hatte der Wind des Kommunismus sich erhoben, da war über Nacht alles anders. Die Phantasie des Menschen ist unerschöpflich, wenn es darum geht, das Falsche zu tun. Zum Beispiel die von oben verordnete »rationale Mischbepflanzung« zur Steigerung der Erträge, da haben alte Bauern, die ein Leben lang auf dem Feld gearbeitet hatten, aus lauter Angst, die Mütze des »rückständigen Konservatismus« aufgesetzt zu bekommen, vor den Augen von Besuchergruppen mit großem Getue wie bei einer großen Versammlung die verschiendsten Setzlinge kreuz und quer eingepflanzt. Weizen und Mais wurden nach dem gleichen Rezept behandelt, mit dem Resultat, dass alles voll war von grünen Setzlingen, aber als die Zeit der Ernte kam, trieben keine Ähren, es gab keine Milchreife. Damals musste man nur einmal unvorsichtig genug sein, sich ein wenig wichtig zu machen – schwupp, und schon stand man in der Zeitung mit einem großen Foto. Und dann stürzten die verschiedensten Untersuchungskommissionen über einen herein wie eine Flut, man war umzingelt von zahllosen Musteräckern, mit »gut zehntausend, zig zehntausend Pfund Ertrag pro Mu«, die Lobgesänge hörten gar nicht mehr auf.
Diese sogenannten Musterfelder lagen auf dem Berg Ba am Rand der Schlucht, das waren ein paar Dutzend Mu Nassfelder, das war alles in einer Nacht abgeerntet, darunter auch ein Mu Acker, der bis an die große Straße heran bepflanzt wurde, da stand alles so dicht, dass kein Windhauch mehr hindurchkam, ein Reporter hat sein Baby mit dahinaufgenommen, um ein Foto zu machen, die Ähren bewegten sich aber überraschenderweise kein bisschen.
Im Herbst 1958 dann sammelte »Marschall Stahl« [74] die Leute in seinem Zelt und gab Instruktionen, der »Lauf in den Kommunismus« erreichte seine glühendste Phase. Mann und Frau, Jung und Alt stiegen auf die Berge, nicht zur Herbsternte, sondern um Bäume zu fällen und Erz zu sammeln. In dieser Gegend hatte niemand je von Erzminen gehört, die schwarzen Steine, die da wahllos aufgesammelt wurden, die Tür für Tür eingesammelten Töpfe, Schalen, Kellen und Wannen, ja sogar Spachtel, Feuerzangen, Türklopfer und Türringe, alles wurde wahllos in kleine Hochöfen heimischer Bauart geworfen. Tag und Nacht brannten Holzgestelle, Brennholz und Getreide lichterloh, und am Ende kamen da unbrauchbare, mit Erzstücken durchsetzte Eisenklumpen heraus. Es war eine Sünde, der Kahlschlag auf den Bergen, die Verwüstung der Dörfer, die Ernte wurde nicht eingebracht, selbst die Maisstengel sind vom Herbstregen durchweicht auf den Boden gefallen. Und als der Winter vor der Tür stand, haben die Kommunemitglieder, die hohes Fieber hatten, gefroren, es war eine unerträgliche Zeit.
LIAO YIWU:
Gab es noch Getreidereserven aus den Jahren davor?
ZHENG DAJUN:
Als man die Volksküchen in großem Stil betrieb, wurde das alles requiriert, die übliche Gleichmacherei und Vergeudung in den Kommunen.
LIAO YIWU:
Gleichmacherei und Vergeudung?
ZHENG DAJUN:
Das heißt, in einer Volkskommune als Einheit wurde eine vollständig gleiche Verteilung vorgenommen, den Produktionsgruppen und den einzelnen Mitgliedern der Kommunen wurde kein Eigentum zurückerstattet, um auf dem Weg zur Gleichstellung aller Menschen jeglichen Privatbesitz abzuschaffen. Vereinfacht gesagt, wurde einfach alles kollektiviert. Sämtliche privaten Herde wurden abgebrochen, selbst Essschalen und Stäbchen wurden den Behörden übergeben, denn wo es Volksküchen gab, wo es das große sozialistische Haus gab, durfte man in den Häusern nicht kochen, sonst hat man gegen das Gesetz verstoßen. Schweine, Schafe, Hühner, Enten kamen in einen kollektiven Pferch, manche
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