Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Kommunemitglieder sind sogar aus ihren vier Wänden ausgezogen, um in kollektiven Strohhütten zu hausen, die Volksregierung hat es gefreut.
In den ersten paar Tagen glühten die Öfen in den Volksküchen noch, es gab große Kessel mit Reis. Wenn unsere Arbeitsgruppe in die Volksküche kam, sind alle aufgestanden, haben ihre Reisschalen hingestellt, applaudiert und gemeinsam das Lied »Der Sozialismus ist gut« angestimmt. Ich fragte dann: »Habt ihr etwas Vernünftiges gegessen?«
Und von allen kam die Antwort: »Ja!«
Ich fragte weiter: »Seid ihr auch satt geworden?«
Laut und deutlich die Antwort: »Ja!«
An so einem Tag trat ein Alter mit Hasenscharte vor und stimmte ein Loblied an, das er mit traditionellen Bambusklappern begleitete. Im Großen und Ganzen hieß es darin, dass von heute an nicht mehr der Himmel, nicht mehr die Erde, sondern die Kommunistische Partei volle Reisschalen beschere.
Wir haben in Begleitung des Parteizellensekretärs der Produktionsbrigade die Küche und jeden einzelnen Tisch inspiziert, rote Bohnen und Reisbrei standen zu Jedermanns unbegrenztem Gebrauch bereit, Maisbrötchen türmten sich in den Dämpfern zu kleinen Bergen. Ich fragte ganz erstaunt: »Auch davon jeder soviel er will?«
Der Parteizellensekretär antwortete: »Vier für jeden, ob Erwachsener oder Kleinkind.«
Ich sagte: »Reichen da nicht zwei oder drei? Überfressen sich die Kinder da nicht?«
Der Parteizellensekretär sagte: »Der Säugling in ländlichen Gebieten kann sich gar nicht überfressen, wenn der zweimal richtig aufspringt, ist das alles schon wieder weg.«
Ich kritisierte das, und zwar in ziemlich scharfem Ton: »Wenn es einen Plan gibt, dann darf man keine Verschwendung treiben!«
Der Parteizellensekretär sagte jajaja.
Und da es zwar erlaubt war zu essen, aber nicht, etwas mitzunehmen, haben die Bauern sich bei jeder Mahlzeit vollgestopft, als gäbe es kein Morgen. Die roten Bohnen hat niemand aus den Reisbreitöpfen gelöffelt, und Maisbrötchenhaut flog überall auf dem Boden herum. Als wir in den kleinen Speiseraum gingen, wuselten fünf, sechs Leute von der Produktionsbrigade um uns herum, auf dem Tisch standen schon zwei Waschtröge voll mit rotgebratenem Schweinedarm und zweimal gebratenem Schweinefleisch.
Ich fragte: »Was ist denn das?«
Der Parteizellensekretär sagte: »Vorgestern hat die Kommune Schweine zur Schlachtung freigegeben, nach Untersuchung und Entscheid der Parteizelle ist ein wenig übrig geblieben für die Arbeitsgruppe, mit besten Wünschen! Auch das gehört zum Ausdruck freundlicher Gefühle unter Kommunemitgliedern.«
Ich und die andern Genossen verwahrten uns gegen eine solche Sonderbehandlung und gaben Befehl, aus dem Fleisch und dem Darm mit Gemüse einen großen Eintopf zu machen und ihn am Abend an die Kommunemitglieder auszugeben.
In diesem Jahr waren wir oft auf den Dörfern und erlebten am eigenen Leib in aller Deutlichkeit, wie die Kader in den ländlichen Gebieten nur so taten, als ob sie mit allem einverstanden wären. Aber die Zeiten waren nun einmal so, und wer die Zeichen der Zeit nicht erkannte, der würde Fehler begehen. Deshalb gab es niemanden, der wegen der Verschwendung in den Volksküchen etwas sagte. Nach zwei Jahren leitete ich eine vierköpfige Arbeitsgruppe im Rahmen der Readjustierung des Arbeitsstils und der Volkskommunen, und wir waren an einem Ort stationiert, um die »zwölf Regeln« umzusetzen [in der »Dringlichen Anweisung zur gegenwärtigen Politik in den Volkskommunen der ländlichen Gebiete« vom 3 . November 1960 hatte das Zentralkomitee zwölf Regeln aufgestellt, im Kern verlangte das Dokument, die gesamte Partei solle mit allen Kräften den seit 1958 in den ländlichen Gebieten aufgekommenen »Wind des Kommunismus« korrigieren und »Gleichmacherei und Verschwendung« in Ordnung bringen; d.Verf.]. Erst jetzt hatte man die schlimmen Folgen von all dem bemerkt.
Die Glanzzeiten der Volksküche waren damit vorbei, die Trennwände zu den Küchen waren schon durchbrochen worden, um die Transparenz der Versorgung zu erhöhen. Hunderte der höchsten Vertreter der Volkskommune reihten sich, mit ihren Reisschalen in der Hand, in die lange Schlange ein, man bildete lässig um den gemauerten Herd herum einen Kreis und nahm eine Kelle von einem Mittagessen in Empfang, durch das man Zeitung lesen konnte. Von wegen, »auch an der Schale ist Reis«. Das war das Gerede, mit dem sich die Regierung aus der Affäre ziehen wollte. Und dann
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