Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
egal, und ich fing an zu schreien: »Die Prinzipien der Organisation sind nicht dazu da, dass ihr mit ihnen mutwillig die Leute attackiert! Ich bin nicht einverstanden, dass man Wen Xin zu den Rechtsabweichlern schlägt, in meiner Eigenschaft als Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas versichere ich, dass sie keine Rechtsabweichlerin ist!« Da schlug der Sekretär auf den Tisch [70] : »Jetzt aber langsam! Ich will es dir noch deutlicher sagen: Ich habe dich zum letzten Mal mit ›Genosse‹ angesprochen! Willst du deine Eigenschaft als Mitglied der Kommunistischen Partei wirklich dazu benutzen, eine Rechtsabweichlerin in Schutz zu nehmen?« Ich blieb störrisch: »Sie ist keine Rechtsabweichlerin.« Da schlug der Sekretär noch einmal auf den Tisch: »Wenn einen jungen Mann seine Gefühle blind machen, so kann man das verstehen, aber auch Gefühle sind klassenspezifisch, es gibt auf der Welt keine Liebe ohne Grund, verstanden?«
Ich war eine Weile ganz konfus, dann brach die Wahrheit aus mir heraus: »Wenn ich sie wirklich liebe, dann was?« Der Sekretär schlug nicht mehr auf den Tisch, er säuselte in einem ganz weichen Ton: »Na, dann hast du die Wahl, liebst du die Partei oder liebst du das Mädchen.«
»Ich liebe das Mädchen«, sagte ich. Daraufhin musste ich mein Parteibuch abgeben, zusätzlich wurde ich doppelt eingestuft, als Rechtsabweichler und als übles Element.
LIAO YIWU:
Waren Sie und Wen Xin damals ineinander verliebt?
FENG ZHONGCI:
Nein, trotzdem hegten wir Gefühlte füreinander. Wenn es normal zugegangen wäre, hätten Wen Xin und ich uns nicht verbinden können, wir stammten beide aus vollkommen unterschiedlichen Welten. Ich war dankbar, dass die Kommunistische Partei mich aus der Armut gerettet hatte, die Wurzeln der Armut ausgrub und mich auf die Universität schickte. Es musste schon sehr weit kommen, damit dies ins Gegenteil umschlug, sonst wäre ich den Ermahnungen der Organisation gefolgt und hätte auch die strahlendsten privaten Gefühle zwischen einem Jungen und einem Mädchen unterbunden. Und die positiven Gefühle Wen Xins mir gegenüber waren nie über die Empfindung einer gewissen Kollegialität hinausgegangen, außer mir hat es keinen gegeben, der ihr hat helfen wollen und den man als »Kommilitonen« hätte bezeichnen können.
LIAO YIWU:
Und dann haben Sie sich doch zu diesem lange unterdrückten Gefühl bekannt.
FENG ZHONGCI:
Ich stammte aus armen Verhältnissen, auf Druck reagierte ich von Natur aus mit Widerstand. Vor der Befreiung bettelte ich auf den Höfen der Großgrundbesitzer um etwas zu essen. Sie gaben mir nicht nur nichts, sie hetzten sogar die Hunde auf mich. Sie werden es nicht glauben, aber als ein Hund mich biss, riss ich das Maul auf und biss zurück. Resultat: Ich trug zwar trotzdem eine Verletzung davon, aber dem Hund fehlte ein Ohr. In diesem Augenblick dachte ich nicht daran, dass ich von der Ausbeuterklasse schikaniert wurde, ich spürte nur, dass diese großen Familien Schweine waren. Es war die Kommunistische Partei, die mich lehrte, Probleme aus dem Blickwinkel der marxistischen Theorie zu betrachten und zu analysieren. Warum rebellierten die Armen? Warum entstanden die Klassen? Weil die Menschen nicht gleichberechtigt waren, nicht nur die Verteilung des gesellschaftlichen Eigentums war nicht gerecht, auch die Menschenwürde war nicht gerecht verteilt. Wen Xin war eine schwache Frau, es gab so viele Organisationen von Parteimitgliedern, da war es nicht nötig, eine schwache Frau zu tyrannisieren – sonst war man wieder bei Zuständen wie vor der Befreiung.
Der amerikanische Schriftsteller Edgar Snow [71] zitiert in seinem Buch »Am Fluß« [72] einen kommunistischen Intellektuellen aus der Zeit der Anti-rechts-Bewegung mit den Worten: »Sie haben keine Vorstellung, wie schmerzlich diese Selbstkritiken und diese Versammlungen verschiedener Gruppen waren. Jeder in meinem Büro, vom Aktenboten bis zur Putzfrau, konnte mich als arroganten bürgerlichen Intellektuellen kritisieren und mir die Hobbys vorwerfen, denen ich in meiner Freizeit nachging. Selbst wenn ich schwieg, wurde mir zum Vorwurf gemacht, dass ich den Mund nicht auftat. Und ich konnte nichts anderes tun als dazusitzen und ihre Vorhaltungen über mich ergehen zu lassen. Manche der Kritisierten wollten sich das Leben nehmen, sie wollten das nicht mehr ertragen müssen, und auch ich brauchte einige Jahre, bis ich mich daran gewöhnt hatte.«
Ich erinnere mich an Buch und Zitat, weil
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