Fraeulein Jensen und die Liebe
unverfängliche Dokumentation »Abenteuer Wildnis« auf 3 Sat. Und selbst die müssen wir irgendwann ausschalten, als sich die Bärenmutter so liebevoll um ihre Babys kümmert, dass mir die Tränen kommen.
Am nächsten Tag fühle ich mich schon ein wenig besser. Denn: Der Haargott meint es gut mit mir. Ich habe, man glaubt es kaum, einen »Good-Hair-Day«. Andere Haare folgen scheinbar profanen Dingen wie Bürste und Föhn. Meine Haare dagegen richten sich nach einer höheren Macht. Sie sind vollkommen unberechenbar. Mal hängen sie vollkommen unambitioniert einfach so herunter und erfüllen lediglich den Zweck »Ohren bedecken«. An manchen Tagen allerdings habe ich eine Naturkrause (wo die herkommt, ist mir ein Rätsel!), und manchmal tun sich plötzlich zwei Wirbel über dem Scheitel auf, die selbst Udo Walz nicht unter Kontrolle bringen könnte. Ich glaube, ich bin ein hoffnungsloser Haar-Fall. Und hoffnungslose Fälle neigen ja bekanntlich zu irrationalen Handlungen. Einmal habe ich für geschlagene 89 Euro eine Spülung bei einer Douglas-Beraterin gekauft, die mir beim Leben ihrer Mutter schwor, ich hätte danach eine Mähne wie Jennifer Aniston.
Aber heute? Nicht schlecht. Außergewöhnlich gut sogar. Mit gutem Willen kann man meinem Haar heute natürliches Volumen attestieren und eine Gleichmäßigkeit, die ich das letzte Mal bei meiner Konfirmation gesehen habe, als unsere Nachbarin Irmgard drei Stunden an mir herumfrisiert hat.
»Mit diesen Haaren kann ich aktiv werden«, denke ich. Der »Ich-erobere-Alexander-Nuno-Pickart-Alvaro«-Schlachtplan wird in die Tat umgesetzt. Pah, wäre doch gelacht, wenn ich diesen Politiker nicht rumkriegen würde.
Pia und ich sitzen am Frühstückstisch. Nach unserem eher gescheiterten Fernsehabend gestern hat Pia bei mir geschlafen. Das kommt relativ häufig vor. Wenn ich irgendwann wieder in einer Beziehung bin, muss ich meinem Freund schonend beibringen, dass Pia ab und zu bei mir schlafen muss, weil ich das so gewohnt bin. Ob es ihm etwas ausmacht, wenn sie hin und wieder in der Matratzenritze zwischen uns liegt? Ob es wohl Alexander Nuno Pickart Alvaro etwas ausmacht? Oh Gott, ich habe gerade das Gefühl, dass es wirklich Alexander ist, den ich frage, ob Pia bei uns schlafen kann.
»Pia, ich glaube, er ist es. Ich spüre das plötzlich.«
Pia beißt in ihr Croissant und nuschelt: »Na, das ging ja schnell. Gestern wolltest du ihn noch nicht einmal kennenlernen, weil du überzeugt warst, dass es sowieso nicht klappt. Gestern warst du sogar davon überzeugt, dass es mit NIEMANDEM JEMALS klappen wird.«
»Gestern war gestern, heute ist heute«, flöte ich fröhlich. »Und irgendwie habe ich über Nacht eine Eingebung gehabt. Ist das nicht aufregend, Pia? Bald werde ich die Frau eines Politikers sein.« Ich muss kichern und verschlucke mich am Kaffee.
»Warum soll die alles entscheidende Nummer zehn eigentlich ein Politiker sein? Das wollte ich dich gestern schon fragen.« Pia sieht mich mit großen Augen an. »Du hast mit Politik doch mal so gar nichts am Hut.«
Pia übertreibt mal wieder maßlos. Na ja, vielleicht hat sie auch ein wenig recht damit. Ich war nicht in der Schülervertretung (die trafen sich NACH Schulschluss!) und habe während des Studiums auch nicht an den Sitzblockaden gegen das neue Hochschulgesetz teilgenommen (um ehrlich zu sein, wusste ich damals gar nicht, dass wir überhaupt so ein Gesetz hatten).
Auch letzte Woche ist mir noch einmal aufgefallen, dass ich, nun, nicht zu den aktivsten Bürgern dieser Welt gehöre. Es regnete in Strömen und ich war gerade auf dem Weg nach Hause. Ich musste mich beeilen, denn es war schon fünf vor sechs und ich wollte doch unbedingt »Verbotene Liebe« sehen. Plötzlich hielt mich kurz vor meiner Haustür eine Frau an. Sie war von Kopf bis Fuß durchnässt und ihre Haare lagen wie dünne Bindfäden eng um den Kopf. Ich erschrak richtig, als sie vor mir stand; sie sah einfach nur erbärmlich aus. Ich fragte mich gerade, ob sie vielleicht Hilfe bräuchte, da hielt sie mir einen Block vor die Nase. Unter einer dicken Klarsichtfolie (auch nass!) sah ich eine Unterschriftenliste.
»Ich sammle Unterschriften für eine Änderung des Wahlsystems der Kommunalwahlen.« Sie sah mich furchtbar ernst an und erklärte in einer Wortlawine, warum der Status quo eine totale Katastrophe sei und unsere Demokratie dringend »neue Impulse« brauche. Während ich hektisch unterschrieb (ich hätte in der Situation
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