Fraeulein Jensen und die Liebe
Grundgütiger.
Oh Gott. Das Dasein als Politikergattin ist ja wohl das Glamouröseste, was man sich vorstellen kann. Himmel, bin ich aufgeregt.
Ich erzähle Pia von meinen Plänen, wie ich in meinem grauen Laura-Ashley-Kostüm Michelle und Carla durch Berlin führe.
Pia schüttelt nur lethargisch den Kopf.
»Dieser Alexander Soundso ist doch nicht US-Präsident. Er ist ja noch nicht einmal Bundeskanzler.«
» Noch nicht, liebe Pia. Ich habe nämlich schon seine Biografie recherchiert. Und ich sag dir: Der Mann hat Potenzial.«
Alexander Nuno Pickart Alvaro studierte Jura und arbeitete schon während des Studiums bei der Deutschen Bank (unsereins hat da nur ein Konto!). Er trat irgendwann in die FDP ein und war, na klar, kurz danach schon im Bundesvorstand. Vor sechs Jahren wurde er ins Europäische Parlament gewählt und ist dort – ich zitiere – »maßgeblich an der Überarbeitung des Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation beteiligt und Berichterstatter für die e-Privacy-Richtlinie«. Himmel. Ich habe keinen Schimmer, was diese »e-Privacy-Richtlinie« ist. Aber ich bin mir sicher, dass sie unglaublich bedeutend ist.
»So jung und schon so erfolgreich«, seufze ich.
»Wenn er wirklich so erfolgreich ist, dann hat er keine Zeit für dich, weil er die ganze Zeit arbeitet.«
»Ach Blödsinn. Politiker überarbeiten sich ja nun wirklich nicht. Ich finde, in dieser Hinsicht hätte es schlimmer kommen können.« Ich sehe schon, wie Alexander und ich uns in einem Swimmingpool auf Mallorca vergnügen und die Bild auf der ersten Seite titelt: »Das Volk schwitzt, Politiker plantscht – den Deutschen reicht’s.«
»Macht dir das nichts aus?«, werde ich Alexander besorgt fragen, während er mir den Rücken einseift.
»Ach was, wir genießen jetzt erst einmal unseren Urlaub. Die große Politik kann warten.« Wir lachen und Alexander bekleckst meine Nase mit Schaum.
»Ich geb’s auf.« Pia schüttelt den Kopf und hebt die Hände wie nach einer Kapitulation. »Dann suchen wir eben den zukünftigen Bundeskanzler.« Sie lacht.
Nichts leichter als das. Alexander Nuno Pickart Alvaro ist ein moderner Politiker und hat eine moderne Homepage. (Auf der er unter anderem auf sein Buch mit dem Titel »Die Situation der Grund-und Menschenrechte innerhalb der EU« verweist.)
»Und was macht Ihr Mann so?«
»Ach, er kümmert sich um Menschenrechte.«
Neben dem Link sehe ich die Kontaktdaten seiner Büroleiterin, der Botin des großen Glücks. Während Pia ein Croissant nach dem anderen in sich reinschiebt (wo lässt sie die bloß alle?), verfasse ich eine E-Mail. Ich schreibe, dass ich Politikjournalistin sei und mich gerade auf die Portraits von EU-Abgeordneten spezialisiere. Weil es die Sache vereinfacht, würde ich gerne am Anfang des Alphabets anfangen – mit Alexander Nuno Pickart Alvaro. Und da ich möglichst schnell mein Spezialgebiet aufbauen möchte, würde ich mich über einen zeitnahen (»zeitnah« klingt nun wirklich extrem professionell!) Termin sehr freuen.
»Da bin ich ja gespannt«, nuschelt Pia mit vollem Mund.
»Ich auch. Das kannst du laut sagen.«
Wir sind gerade beim Abwasch, als mein Computer ein unmissverständliches »Pling« von sich gibt. »Pling« für: »Sie haben Post.« Pia und ich sehen uns an.
»Nun mach schon. Vielleicht hast du ja wirklich schon Post aus dem Kanzleramt.« Sie kichert.
Ich gehe zum Computer und öffne zitternd das E-Mail-Programm. Tatsächlich. Die Büroleiterin hat geschrieben. Diese Antwort entscheidet über Glück und Unglück.
Ich überfliege die Mail und lese nur Bruchstücke. »Interview kein Problem«, »nächste Woche«, »Sitzungswoche in Straßburg«.
Straßburg? Natürlich! Ich hatte ja ganz vergessen, dass das Europäische Parlament nicht nur in Brüssel tagt, sondern auch in Straßburg. Das wird ja immer besser! Ich wusste es schon immer: Irgendwo da draußen wartet ein Leben im Jetset auf mich. Und jetzt ist es zum Greifen nah.
Ach herrlich, Straßburg, Brüssel, Brüssel, Straßburg. Und Hannah Jensen mittendrin. Das wird ein Traum. Ich liebe es nämlich, herumzureisen. Und sicher muss man alles doppelt haben, da man ja schlecht alle paar Wochen komplett umziehen kann. Zwei Abos für die Gala , zwei Burberry-Trenchcoats, zwei Flachbildfernseher, zwei edle Seidenbademäntel und – irgendwann, jawohl – zwei Kinderwagen. Während unsere Mitarbeiter vor Ort alles für unsere Ankunft vorbereiten, werde ich nur mit einem
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