Fraeulein Jensen und die Liebe
bin ja im Bus.
Der Busfahrer gestikuliert mit den Händen und zeigt auf eine Haltestelle. Wir sind da.
Ich steige aus, und schon in 300 Meter Luftlinie sehe ich ein Riesengebäude, an dem Dutzende von Fahnen wehen. Das ist es: das Parlament.
Aufgeregt stolziere ich über die Straße und gehe an einem Taxistand vorbei. Taxi! Natürlich! Es ist ja viel stilvoller, wenn ich vorgefahren komme, anstatt so eine popelige Straße von einer popeligen Bushaltestelle hinunterzulaufen.
Ich gehe zum ersten Taxi in der Schlange und sage, während ich auf der ledernen Rückbank Platz nehme: »Bonjour, Parlemant européen. Merci.«
Der Taxifahrer dreht den Kopf zu mir um. »Deux minutes«, sagt er und deutet mit den Fingern erst auf das Gebäude vor uns und dann auf meine Füße.
Ich weiß, dass es nur zwei Minuten dauert, um dort hinzulaufen, denke ich genervt. Aber da muss er jetzt durch. Ich zucke mit den Schultern und tue so, als ob ich nichts verstanden hätte.
»Parlement européen, merci.« Und dann schiebe ich noch ein bestimmendes »Allez, allez« hinterher und zeige auf die Straße.
Er schüttelt wieder ungläubig den Kopf, stößt irgendwelche französischen Fluche aus und fährt los.
Nun, die Fahrt ist wirklich kurz. Wir überqueren eine Kreuzung und sind nach 30 Sekunden da.
»Voila!«, sagt er unbeherrscht und schüttelt wieder den Kopf. Wir werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Aber ich muss sagen, dass sich dieser kleine Kriegszustand zwischen Deutschland und Frankreich gelohnt hat.
Das Taxi hält auf einem riesigen Rondell direkt vor dem Gebäude mit den vielen Fahnen. Ein Fahrzeug reiht sich ans andere. Aus jedem springen Männer in teuren Anzügen heraus, werden von anderen Männern mit teuren Aktentaschen unter dem Arm begrüßt und schreiten dann staatsmännisch ins Gebäude.
Ich schwinge langsam und würdevoll die Beine aus dem Taxi. Diesen Auftritt muss man in aller Breite genießen, auch wenn der Fahrer schon den Gang eingelegt hat und in jedem Moment losfahren will.
Gott, ich fühle mich wie Angela Merkel, die beim G-8-Gipfel ankommt. Gleich begrüßt mich Nicolas Sarkozy.
Mir wird schwindlig.
Ich stehe direkt vor dem Eingang. Eine Drehtür trennt mich jetzt noch vom großen Glück.
Hier endet sie also, meine Suche nach dem Traummann. Zugegeben, ich hätte nicht gedacht, dass sie mich in die Welt der Politik führt. Aber ich muss sagen, dass ich in diese Kulisse wunderbar hineinpasse. Und ich glaube wirklich, dass es dieses Mal das Richtige ist. Dass es funktioniert. Mit Alexander und mir.
Ja, ich weiß. Ich habe in den letzten Monaten ziemlich oft gesagt, dass etwas funktioniert. Doch jetzt ist es wirklich was anderes. Ich weiß es nicht nur, sondern ich spüre es. Frauen haben ja bekanntlich eine hervorragende Intuition. Einen sechsten Sinn. Und genau dieser Sinn flüstert mir gerade ins Ohr: »Hannah, der große Moment ist gekommen.«
Ich sehe schon, wie Alexander und ich bald im Schloss Bellevue zu einem Bankett eingeladen werden.
»Stellen Sie sich vor«, wird Alexander in die Runde sagen, während das Dienstpersonal den Champagner und das Essen (Loup de mer, Steinbuttcarpaccio, Hummer) serviert. »Als Hannah und ich uns kennenlernten, hat sie doch tatsächlich die erste Nacht in der Jugendherberge geschlafen.«
Über das vergoldete Porzellan hinweg drückt er zärtlich meine Hand und ich erröte leicht.
Angela Merkel lacht (sehr herzlich), und auch Gordon Brown und Nicolas Sarkozy stimmen in das Gelächter mit ein und werfen ihre Köpfe in den Nacken, nachdem ihre Dolmetscher ihnen meine Jugendherbergsgeschichte übersetzt haben. Dann meldet sich Berlusconi zu Wort: »Bei mir schläfst du dafür in einem Palast, wenn ihr mich in Rom besucht.« Er haut sich grölend die Hände auf die Schenkel, die ganze Tafel lacht, Alexander haucht mir einen Kuss auf die Wange und ich schiebe mir einen Hummer in den Mund.
Grundgütiger.
Mon Dieu. Jeden Moment muss er da sein. Mit einem überzeugenden »Bonjour, je m’appelle Hannah Jensen et je veux voir Alexander Nuno Pickart Alvaro« habe ich mich vor fünf Minuten am Empfang angemeldet. Die Frau schien meinen auswendig gelernten Satz tatsächlich verstanden zu haben, denn sie nickte nur wortlos und tippte eine 15-stellige Nummer in das Telefon vor sich. Nachdem sie in einem Affentempo mit irgendjemandem gesprochen hatte, sagte sie etwas zu mir – natürlich auch in einem Affentempo. Ich habe kein Wort verstanden, nickte
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