Fraeulein Jensen und die Liebe
alle Männer der Welt in weißen Anzügen geprostet.
Ich gebe auf.
»Ja, ich glaube, das war’s. Vielen Dank dann fürs Gespräch.« Wir geben uns die Hände, er lächelt mir zu, ich bin drauf und dran, wieder dahinzuschmelzen. Nein. Stopp. Das ist nicht Sebastian von Lahnstein. Auch wenn es nicht so aussieht: Das ist eine ganz andere Person.
»Mach’s gut«, sagt er und geht. Er winkt noch einmal. Ich winke.
Das Publikum applaudiert verhalten.
Ein Liebesspiel in drei Akten wurde angekündigt, herausgekommen ist eine Mischung aus Drama und Trauerspiel.
»Und?«, fragt Heinz. »Hat sisch die ganze Warterei jelohnt?«
»Ja«, sage ich kleinlaut. »Und irgendwie auch nicht.« Ich ziehe die Jacke an und schwöre mir, nie wieder für einen Mann zu frieren.
Ich laufe lethargisch und all meiner Träume beraubt zurück zur Straßenbahn. Ich fühle mich, als hätte ich eine Kreuzfahrt nach Atlantis gebucht, und kurz vor dem Auslaufen des Schiffes sagt mir der erste Offizier, dass es diese Insel gar nicht gibt.
Das Handy klingelt.
»Forbidden love ...«, höre ich eine Stimme am anderen Ende der Leitung singen. Pia singt die Titelmelodie der »Verbotenen Liebe« und ich könnte sofort weinen. »... goes straight to your heart.« Kichern. »Und erzähl? Wie wars? Kann ich auch mal mit zum Set kommen?«
»Pia, kannst du mich heute Abend vom Bahnhof abholen? Ich brauche seelische Unterstützung.«
»Warum? Lief es nicht gut?«
»Doch, eigentlich schon. Er ist super toll. Aber er ist eben nicht Sebastian von Lahnstein.«
»Ich versteh dich so schlecht, Hannah. Was ist er nicht?«
»Er ist nicht Sebastian von Lahnstein«, schreie ich in den Hörer, und es kommt mir so vor, als würde die gesamte Linie 13 kollektiv entrüstet den Kopf schütteln.
»Ich kann jetzt nicht sprechen. Mein Zug kommt um 21.12 Uhr am Hauptbahnhof an.«
»Alles klar, ich werde da sein. Halte durch.«
Ich fahre nach Hamburg zurück. Welche Enttäuschung. Sebastian Graf von Lahnstein gibt es nicht. Am Bahnhof hieve ich meine Koffer alleine aus dem Zug, auf diesen Bandscheibenvorfall kommt es jetzt auch nicht mehr an, schließlich habe ich bereits eine schwerwiegende Fraktur in der Herzgegend. Am Ende des Gleises sehe ich schemenhaft Retterin Pia. Sie kommt mit schnellen Schritten auf mich zu.
»Mensch, Mäuschen«, sagt sie. »Wenn man dich so sieht, könnte man meinen, dass du gerade aus dem Frauenhaus geflohen bist.«
»So fühle ich mich auch. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass es den Mann, der mich geschlagen hat, gar nicht gibt.«
4. Martin Lacey Junior und der Löwe im Käfig
Zwischenbilanz. Der erste Mann war ein Traummann, aber er war schwul. Der zweite Mann war ein Traummann, aber er war nicht treu. Der dritte Mann war ein Traummann, aber es gab ihn nicht.
Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich die Kombination von »Traummann« und »aber« nicht ausstehen kann?
Vor einer Woche bin ich aus Köln zurückgekommen und noch immer habe ich mich von den ersten drei Treffen nicht erholt. Bis gerade eben hat Pia pietätvoll zum Thema Traummannsuche geschwiegen. Ich fand das sehr rücksichtsvoll. Doch nun hat sie es getan. Sie hat wieder das verbotene »T-Wort« in den Mund genommen.
»Wer soll eigentlich der nächste Traummann werden?«
In den letzten Tagen hatte ich mir eigentlich überlegt, ob ich das Ganze nicht abbrechen sollte. Noch eine Enttäuschung würde hart werden. Doch irgendwie entdecke ich plötzlich meinen Kämpferinstinkt. Pah, warum soll ich klein beigeben? Nein, nein, gerade jetzt muss ich dranbleiben. Was wissen schon Kevin, Rocko und Joscha?
Pia sieht mich mit großen Augen an, und plötzlich ist mir klar, dass ich mich auf das besinnen muss, was einen wahren Mann ausmacht.
Es ist Zeit für den knackigsten Hintern in Westeuropa: Martin Lacey Junior.
Ich hatte ihn – kennengelernt wäre vielleicht etwas übertrieben – zum ersten Mal vor genau einem Jahr gesehen. Damals schleppte ich Pia an einem trüben Nachmittag im Februar in den Zirkus Krone.
Kleine Vorbemerkung, damit man versteht, warum es für eine fast Dreißigjährige nichts Schöneres geben kann, als einen Zirkus zu besuchen.
Ich habe eine große Gemeinsamkeit mit Stéphanie von Monaco: Bei Zirkusartisten werden wir schwach. Immer wenn ich Bilder von ihr in der Bunten sehe, wie sie mit zerzausten Haaren aus einem Zirkuswagen torkelt, schreie ich innerlich: »Das will ich auch!« Habe ich mich irgendwann in meinem
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