Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
vorgenommen hatte, mich zu
emanzipieren, nickte ich bei ihren Erzählungen ganz lässig und tat so, als wäre
es die normalste Sache der Welt. Meine Oma hätte einen Herzinfarkt bekommen.
„Sag mal
Katrin“, fragte ich jetzt meine Freundin, die neben mir auf dem Sofa lümmelte,
„wie ging es damals mit Deinem ehemaligen Freund weiter, von dem du die Finger
nicht lassen konntest?“
„Ich hatte
herausgefunden, dass er auch seine Finger von seiner ehemaligen Freundin nicht
lassen konnte, und das war mir dann doch zu blöd!“, lachte Katrin, die im
Moment Single und glücklich war.
„Aber was
hat Deine Mutter zu dieser Dreiecks-Beziehung gesagt?“, fragte ich sie, weil
ich wusste, dass Katrin mit ihrer Mutter über alles reden konnte.
„Natürlich
fand sie es nicht toll, dass ich Roland mit Stephan betrog, aber sie hat mir
gesagt, ich soll machen, was ich für richtig halte!“, grinste Katrin und wirkte
überaus zufrieden.
Ich hatte es
geahnt, ich hätte nicht fragen sollen.
Capitolo tre -- Cambiamenti (Änderungen)
„Nonna“,
schrie ich wieder einmal ins Telefon.
„Schrei
nicht so, ich bin nicht taub“, kam von meiner Oma mindestens so laut zurück.
Stimmt,
dachte ich, der Taube in der Familie war mein Opa und der ging naturgemäß nie
ans Telefon.
Heute war
ich nicht auf der Suche nach Bestätigung. Dafür wäre meine Oma sowieso nicht die
richtige Adresse gewesen und Ginos Projektverlauf hatte mich in ein momentanes Stimmungshoch
versetzt. Nein, mein Anruf hatte mit Ilarias Flecken zu
tun, die ihre anzügliche Stellung auf meinem Tisch immer noch nicht aufgegeben
hatten.
„Nonna, wie
entferne ich am besten Filzstift von einem Holztisch?“, fragte ich meine Oma, die
zwar einen denkbar schlechten Charakter hat, aber über einen beachtlichen
Schatz an richtig guten Hausfrauentipps verfügt.
„Deine
Schwester war vorhin da“, teilte mir meine Oma darauf hin mit, wie immer das
Thema knapp verfehlend.
„Aha,
interessant, und was sagt sie?“, fragte ich nur mäßig interessiert.
„Mit den
zwei Kindern halt“, fügte sie schmallippig hinzu (die schmalen Lippen konnte
ich zwar nicht sehen, aber mir bestens vorstellen).
„Äh, ja,
Oma…wegen des Filzstifts…“, versuchte ich kläglich wieder auf das Thema
zurückzukommen.
„Ihr Pseudo-Ehemann [22] hat unten gewartet“, sagte sie jetzt und betonte dabei das Wort „pseudo“.
Kein Wunder,
dachte ich. Jedes Mal, wenn der arme Kerl sich in die Gefilde meiner Oma traut,
muss er sich lange Standpauken zum Thema „Wen man schwängert, den muss man auch
heiraten“ anhören. Armer Luca.
Auch wenn
ich jetzt das Risiko eingehe, ungläubiges Augenbrauenheben bei Ihnen hervorzurufen,
ist meine Oma, wie auch der Rest unserer Familie, keine gläubige Katholikin. Ganz
im Gegenteil: Genaugenommen gehören wir zu der anderen,
nicht religiösen Fraktion Italiens. Bis vor zwanzig Jahren war mein schönes
Land politisch zwei geteilt. Auf der einen Seite waren die konservativen, katholischen
und gutbürgerlichen benpensanti [23] , Wähler
der Democrazia Cristiana (D.C.), und
auf der anderen Seite die comunisti , Wähler
des Partito Comunista Italiano (P.C.I.). Unter den comunisti waren all Jene versammelt, die hohe
Ideale wie soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Umverteilung des
Reichtums pflegten. Intellektuelle, Künstler, Lehrer und viele arme Schweine
waren damals comunisti. Gerade die armen Schweine, von Natur aus pragmatisch
eingestellt und von harten Lebensbedingungen gebeutelt, waren im Allgemeinen
nicht geneigt, eine Kirche zu betreten, repräsentierte der Priester meist jene
gutbürgerliche Schicht, die die comunisti verabscheuten, und war außerdem der Kirchenvertreter häufig selbst ein
verhasster D.C.-Wähler. Für diejenigen unter Ihnen, die die Filme von „Peppone
e Don Camillo“ gesehen haben, müsste die Situation klar sein. Den anderen lege
ich das Anschauen dieser Klassiker wärmstens ans Herz.
Jedenfalls werden
Sie erraten haben, dass meine Familie zu jenen Idealisten gehörten, die die
Welt verbessern wollten. Nachrichten über die Situation in der DDR schienen in
Italien nicht anzukommen und so hatten meine Verwandten, wie Millionen anderer
Italiener auch, kein Problem damit, sich offen zur kommunistischen Ideologie zu
bekennen.
Meine Oma
ist also eindeutig nicht eine jener älteren Damen, die morgens um sieben mit
einem Gebetbuch und einem schwarzen Spitzen-Kopftuch ausgestattet zur Frühmesse
eilen.
Weitere Kostenlose Bücher