Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
Aufenthalts mit vor
Ungläubigkeit offen stehendem Mund beiwohnen durfte:
„Warst du heute beim Seminar?“
„Nein, ich
musste meine Reifen wechseln“ (aus ökologischen Gründen wahrscheinlich hier
gemeint: „Die Reifen meines Fahrrads“).
„Ach ja, das
müsste ich auch mal machen. Übrigens: Ich habe mir einen Computer gekauft“
„Welchen?
Den Atari oder einen 386er?“
„Den 386er.
Er hat einfach eine größere Speicherkapazität….“
Dasselbe Gespräch wäre in Italien etwa
folgendermaßen verlaufen:
„Warst duheute
beim Seminar?“, fragt Mara.
„Nein, ich
musste zur Kosmetikerin“, antwortet Luisa.
„Bei
welcher? Doch nicht bei der vom letzten Mal?“
„Nein, ich
habe sie gewechselt, ich bin wieder bei der alten“
„Übrigens:
Ich habe mir eine Stone-Island-Jeans gekauft“
Und so
weiter und so fort.
Nicht, dass
Italienerinnen grundsätzlich oberflächlicher wären. Der Besuch bei der
Kosmetikerin ist in Italien jedoch seit Menschengedenken ein Muss im Kalender
jeder Frau. Diese Tradition wird von Generation zu Generation weitergegeben und
selten in Frage gestellt. Oft hat Frau über Jahre immer dieselbe Kosmetikerin,
bei der auch ihre Mutter war und eines Tages ihre Tochter sein wird (wenn die
Kosmetikerin nicht zwischenzeitlich an Altersschwäche gestorben ist oder in
Würde erblindet ist).
Der Gang zur
Kosmetikerin ist in Italien eine (auch von den Männern) allgemein akzeptierte
Notwendigkeit und wird teilweise zu einer Massenveranstaltung. Ende Juli ist es
einfacher einen Parkplatz in der Nähe des Mailänder Doms als einen freien
Termin bei der Kosmetikerin zu bekommen. Die Tradition will nämlich, dass sich
alle italienische Frauen ab Mitte Juli die Beinhaare mit heißem Wachs entfernen
lassen, als Vorbereitung auf den Urlaub, der ja bekanntlich für alle Italiener
im August stattfindet.
Auch im
Bezug auf die Sexualität waren meine neuen deutschen Freundinnen unendlich
freizügig. Katrin war ein Paradebeispiel, wie ich im Verlauf unserer Freundschaft
feststellen musste.
Als ich
Katrin kennenlernte, saß sie im Vorhof des Vorlesungssaals und gähnte vor sich
hin. In der Hand hielt sie eine Tasse Kaffee und sonst nichts (damals gab es
noch keine Handys, sonst hätte sie mit Sicherheit mit der anderen Hand
gelangweilt auf der Tastatur eines solchen herumgedrückt. Sie war eben nur so
cool, wie die Zeiten es erlaubten). Mit ihren glatten, fast weißen Haaren und
den hellen Augen sah sie für mich wie die typische hübsche Deutsche aus.
„Musst du da rein?“, fragte sie mich nach einer
kurzen Musterung.
„Ja, zur
Biochemie-Vorlesung“, antwortete ich aufgrund des langen zusammengesetzten
Wortes nicht gerade flüssig.
„Wo kommst du her?“, fragte Katrin auf einmal
interessiert und hellwach, meinen damals noch starken Akzent nicht richtig
einordnen könnend.
„Äh, aus
Italien“, antwortete ich unsicher, da ich ja nicht wusste, ob das in ihren
Augen gut oder schlecht war.
In
Norddeutschland fand man damals Italiener entweder in Pizzerie [20] oder in Eisdielen, jedoch selten in einem Biochemie-Vorlesungssaal.
Katrin war
dementsprechend überrascht.
„Bist du mit deiner Familie hier?“ fragte nun Katrin, die wahrscheinlich schon
die Möglichkeit witterte, ihr spärliches Studentenbudget durch kostenlose Pizza
oder zumindest Eis zu entlasten. Schließlich müssen Studenten ihr ohnehin knapp
bemessenes Haushaltsgeld für Wichtigeres als Essen zusammenhalten, etwa fürs
Trinken.
„Nein, ich
bin alleine gekommen, zum Studium“, zeigte ich mit einer unbestimmten
Kopfbewegung auf den Vorlesungssaal, der sich langsam aber sicher mit Studenten
füllte. Interessant: In Mailand, wo ich in Italien studierte, ergaben
zusammengesteckte Studentenköpfe ein Farbspektrum von mittelbraun bis schwarz und alle, aber wirklich alle,
kamen ohne Probleme durch die Tür in den Vorlesungssaal. Hier hingegen war die
dunkelste Haarfarbe blond (zumindest aus meiner damaligen Sicht) und einige
Männer waren so groß, dass sie den Kopf einziehen mussten, wenn sie nicht gegen
den oberen Türrahmen knallen wollten.
Durch diese Beobachtungen
abgelenkt, merkte ich nicht, wie Katrin aufgestanden war und mit der Bemerkung
„ Ach ja, ihr habt in Italien bestimmt keine Unis“ in der Masse verschwand,
wodurch sich die Farbmischung der Köpfe noch ein wenig aufhellte.
*
Die
Vorlesungen verliefen in Deutschland ganz anders als in Italien. In Mailand war
ich es gewohnt,
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