Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
dass der „ professore “, von einer oder
zwei Assistentinnen begleitet und mit der Aura eines Nobel-Preisträgers in den
bereits gefüllten Vorlesungssaal schritt und vor den Studenten wie ein Filmstar
auf dem roten Teppich bis zu seinem Pult flanierte. Etwas irritiert (wahrscheinlich
über die fehlenden Standing Ovations und Autogramm-Anfragen) schaute er erst
mal in die Runde und begann mit seinen gefürchteten Fragen. Unser professore
schien nämlich sein Wissen und seine Überlegenheit dadurch unterstreichen zu
wollen, dass er die Ignoranz seiner Studenten öffentlich zur Schau stellte. Mit
einem Mikrophon ausgestattet, das er dann unter die Nase der unglücklichen
ausgewählten Studentin hielt, wollte er dann etwa von ihr wissen, wie die
Bildunterschrift auf Seite 65 desvon ihm
verfassten Biochemie-Buchs lautete. Die arme Studentin lief in der Regel
knallrot an, während im Hintergrund panisches Getuschel und das hektische
Blättern von Buchseiten zu hören war.
Nur: Im
Gegensatz zum Unterricht von la Becchi, wo man in den ersten Reihen ihrer
Spucke unausweichlich ausgeliefert war, konnte man sich an der Uni zum Glück
seinen Sitzplatz aussuchen. Das Gedränge und die Kämpfe um die Plätze in der
letzten Reihe waren gnadenlos und endeten nicht selten in Tränen. Leider
stellte diese Maßnahme auch keine sichere Rettung dar, denn unser professore , der wahrscheinlich kein Nobelpreisträger, aber
sicherlich auch nicht dumm war, schickte seine eilfertigen Assistentinnen mit
dem Mikrophon durch den Saal, um uns Normalsterbliche am Ende doch zu stellen
und schamlos zu demütigen.
Zur
Vorlesung pflegte der Dozent einen strahlendweißen Laborkittel zu tragen, unter
dem eine dunkle Anzughose und auf Glanz polierte Schuhe hervorschauten.
Besagter Kittel sollte dezent andeuten, der große Wissenschaftler wäre aus
einem menschheitsrettenden Experiment weggeholt worden, das ihm gigantischen
Ruhm und mindestens ein Porträt in der Uni-Galerie einbringen wird. In
Wirklichkeit wussten wir, dass der professore ihn immer erst kurz vor einer
Vorlesung anzog (daher strahlendweiß).
Seine
Assistentinnen waren alle weiblich und sahen ausnahmslos aus wie Topmodels.
Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen, fand ich es auch schon damals aus rein
statistischen Gründen unwahrscheinlich, dass das purer Zufall war und fand es
unerhört, dass jemand seine Position ausnutzte, um seinen sexistischen
Vorstellungen zu frönen. Mittlerweile, nachdem solche Vorstellungen in Italien
durchaus auch auf deutlich höher Ebene problemlos und unbestraft ausgelebt
wurden, nimmt meine Empörung eher resignierte Züge an.
Nun war ich
aber in meiner ersten deutschen Vorlesung und das Bild war ein ganz anderes.
Der Dozent saß, in Jeans und T-Shirt und von ein paar Studenten und
Studentinnen umringt, ganz lässig auf dem Tisch und ließ die Beine gemütlich
baumeln. Von Kittel und blankpolierten Schuhen war weit und breit keine Spur.
Stattdessen trug mein neuer professore praktische Jesuslatschen, die in einem
Biologie-Vorlesungssaal durchaus ihre Berechtigung hatten und im Gesamtbild
nicht weiter störten. Ich schaute mich auf der Suche nach seinen Assistentinnen
im Raum um, fand jedoch nur einen struppigen und ziemlich schmutzigen Köter,
der unter dem Lesepult alle viere von sich gestreckt hatte und sich hier
ziemlich heimisch zu fühlen schien. Eine Studentin saß neben ihm und fütterte
ihn mit Keksen.
Vom lässigen
Klima angesteckt und von der Tatsache begeistert, dass ich überhaupt so nah an
einen Dozenten kam, lungerte ich in seiner Nähe herum und versuchte der
Unterhaltung zu folgen.
„Das nächste
Mal versuchen wir es mit Gin. Ich habe gehört, von Gin bekommt man keinen
Kater“, sagte eine Studentin.
„Ja, klar,
das hast du das letzte Mal über Tequila auch gesagt“, spottete der junge Mann
in der Runde.
„Aber nur,
weil wir ihn mit Zimt und Orange anstatt mit Salz und Zitrone getrunken haben“,
wehrte sich die junge Frau.
„Und wie
sieht es mit Dir aus, Robert?“, fragte sie den Dozenten.
„Also, ich
bleibe beim Bier, sicher ist sicher“, lachte er und klatschte in die Hände um
mit der Vorlesung zu beginnen.
Ich begab
mich begeistert auf meinen Platz und sinnierte vor mich hin: Nicht nur hatten
Professoren hier keine Starallüren und gottesähnlichen Status. Man duzte sie
einfach und ging abends mit ihnen eins trinken. Es war so ganz anders als ich
es kannte und noch besser als ich gehofft hatte.
Ich freute
mich ganz
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