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Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Titel: Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dori Mellina
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Genaugenommen lehnt sie um dieselbe Uhrzeit am Fensterbrett und schimpft
leise über eben diese frommen D.C.-Wählerinnen vor sich hin. Später am Tag zählt
sie immer geringschätzig auf , wen sie Richtung Kirche hat
vorbeigehen sehen, als wäre das eine Todsünde.
    Der
Vollständigkeit halber möchte ich noch zwei Worte zum weiteren Schicksal der
kommunistischen Ideologie in Italien hinzufügen : nach dem Fall der Mauer und entsprechenden Berichten von Opfern, brach für meine
Großeltern (und nicht nur für sie) eine Welt zusammen. Die DDR war für sie wie
die Realisierung ihrer Träume gewesen. Nie im Leben hätten sie sich vorstellen
können, dass die Leute lieber in der Hölle geschmort hätten als einen Tag
länger hinter dem eisernen Vorhang zu verbringen. Mit feuchten Augen und komplett
fassungslos sahen mein Opa und meine Oma tagelang im Fernsehen zu, wie die
Ossis Hammer und Sichel dazu verwendeten, die verhasste Mauer zu zerstören.
    Trotz allem
blieben die grundsätzliche politische Einstellung meiner Familie im Allgemeinen
und ihre Abneigung gegen den Klerus im Besonderen weiter bestehen.
    Und trotzdem:   Obwohl die Kirche in unserer
Familie keinen hohen Stellenwert hat, ist meine Oma unverkennbar eine
Italienerin der älteren Generation, also nicht gerade fortschrittlich und auf keinen
Fall gewillt, außereheliche Zeugungen zu akzeptieren. Deshalb musste Luca, der
die Frechheit besessen hatte, meine Schwester nicht einmal, sondern gleich
zweimal ohne Trauschein zu schwängern, immer unten vor der Tür warten.
    Weil an jenem
Tag von meiner Oma scheinbar nichts außer moralischen Vorhaltungen zu holen war
und ich alles andere als die heilige Maria war und somit ebenfalls prinzipiell in
Omas Schusslinie stand, legte ich schnell auf. Das Telefonat hätte ich mir auch
sparen können. Zwar wusste ich jetzt, dass mein Pseudo-Schwager immer noch Angst
vor meiner Oma hatte, aber ich kannte immer noch kein Mittel gegen einäugige
Banditen. Immerhin konnte ich das Kunstwerk vorübergehend unter einer
Obstschale verstecken, denn Martin durfte es nicht sehen. Er behauptete immer,
ich wäre eine hoffnungslose Chaotin und ich wollte ihm keinesfalls neues Futter
für seine Anschuldigungen liefern.
    Jetzt musste
ich mich aber beeilen, denn ich wurde auch heute an meinem Arbeitsplatz sehnsüchtig
erwartet.
    Häufig
fragten mich die Leute, wie ich ein so wunderbares Land wie Italien verlassen
konnte, um ins kalte Deutschland zu ziehen. An Tagen wie heute, wenn sich Mitte
März die Säule des Thermometers weigert, den zweistelligen Minusbereich zu
verlassen, frage ich mich das selbst auch immer wieder.
    Mit
quietschenden Reifen fuhr ich um die Kurve und parkte in der letzten freien
Parkbucht vor dem Firmengebäude. Ein schneller Blick in den Rückspiegel
bestätigte meine Vermutung, dass meine Maskara verschmiert und mein Teint
fleckig war. Aber Zeit für Retouchierarbeit hatte ich
keine. Das Biest wartete bestimmt schon.
    Oben angekommen wollte ich mich gerade in mein Büro schleichen als es von
hinten tönte:
    „Na, hat die Italiener die Weg zur Arbeit doch gefunden?“
    Das Biest.
Das niederländische Biest. Es hatte mich doch erwischt.
    Ich drehte
mich um und blickte in das unappetitliche, rotbackige, zähnefletschende Gesicht
meines Bosses. Für einen kurzen Moment musste ich die Augen schließen, das war
ich mir schuldig. Herr Thiess trug heute eine graue Hose aus Tweed mit kleinem
Karomuster, ein grünliches Jackett mit großen Karos und ein blass-gelbes
Streifenhemd, das sich über dem Bauch spannte und durch die
auseinanderklaffenden Knöpfe den Blick auf das feingerippte Unterhemd freigab.
Eine kackbraune Krawatte aus den 70ern, die er zweifellos im hintersten Eck
seines Schranks gefunden haben musste, vervollständigte das Outfit.
    „Guten Morgen, Herr Thiess“, würgte ich heraus.“ Heute so elegant?“
    Die Miene meines Bosses hellte sich augenblicklich auf.
    „Gefällt’s Sie ?“, und wartete
zum Glück nicht auf meine Antwort.
    „Von einer Italiener gesagt, ist das eine Kompliment“, fuhr er lächelnd fort
und leckte sich dabei die Lippen. Ich musste eine Welle der Übelkeit
unterdrücken.
    „ Habe Sie die Präsentation fertig?“,
setzte er jedoch sofort mit seinem forschen Blick und ohne die Spur eines
Lächelns nach.
    „Die schicke
ich Ihnen gleich, ich muss nur noch schnell etwas formatieren“, sagte ich und
entzog mich seinen stechenden Augen und seiner originellen Aufmachung.
    Im Büro

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