Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Titel: Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dori Mellina
Vom Netzwerk:
saß
bereits Petra, die netteste Kollegin, die man sich überhaupt vorstellen kann
und telefonierte.
    „Nein, Frau Hohenbecker [24] ,
das hatte ich Ihnen bereits letztes Mal gesagt. Wenn Sie sich übergeben haben,
direkt nachdem Sie die Pille eingenommen haben, müssen Sie zusätzliche Maßnahmen
zur Verhütung treffen“, sagte sie geduldig und winkte mir mit der freien Hand
zur Begrüßung zu.
    Ich konnte
nicht verstehen, wie Petra es schaffte, bei all diesen minderbemittelten
Anfragen die Geduld zu bewahren. Sie war zu jedem nett und ich meine wirklich
ZU JEDEM, auch zu Frau Hohenbecker , die ungefähr einmal
wöchentlich anrief, um ihr ihre Missgeschicke in Sachen Verhütung zu erzählen
und um sich Rat zu holen. „Nein, das ist mit Sicherheit KEINE geeignete
Maßnahme, Frau Hohenbecker“, antwortete jetzt Petra und rollte die Augen zum
Himmel.
    Ich wollte
lieber nicht wissen, was Frau Hohenbecker vorgeschlagen hatte. Wenn man wie ich
in der pharmazeutischen Industrie arbeitet und dort vor allem für Verhütungsmittel
zuständig ist, dann erlebt man schon einiges. Die besten Geschichten schrieben
wir auf und lasen sie uns in schlechten Zeiten zur Aufmunterung vor, natürlich
anonymisiert. Das Problem von Frau Hohenbecker war, dass ihr ständig Fehler bei
der Einnahme der Pille unterliefen. Sie werden sich vielleicht fragen, wie
viele Fehler man bei der Pilleneinnahme machen kann. Eine Menge! Wir konnten es
auch nicht glauben, aber die Frau war wirklich kreativ. Jedenfalls gelang es meiner
Kollegin irgendwann, sie zu überzeugen, zu einem Verhütungsmittel zu wechseln,
an das man nur alle fünf Jahre denken musste. Von da an hörten die Anrufe auf.
Den Namen der Kundin weiß ich heute noch, da er auch bei mehreren
Weihnachtsfeiern zur allgemeinen Erheiterung beitrug. Wir hatten sogar
überlegt, sie als Testimonial für unser idiotensicheres Verhütungsmittel
einzusetzen, dafür war sie einfach wie geschaffen!
    „Petra“,
flüsterte ich geheimnisvoll über die Schreibtische hinweg, sobald sie aufgelegt
hatte.
    „Du kannst
Dir nicht vorstellen, was Frau Hohenbecker unternehmen wollte, um nicht
schwanger zu werden“, teilte mir Petra fassungslos mit.
    „Interessiert
mich nicht, hör mal zu!“, raunte ich und blickte mich um, um sicherzustellen,
dass wir wirklich alleine waren.
    „Ich mach
das nicht mehr lange“, platzte ich heraus.
    „Was fehlt
Dir denn?“, fragte sie besorgt.
    „Nichts!“. Ich
rollte mit den Augen, denn ich konnte nicht glauben, dass sie das wirklich
gefragt hatte, „Ich hatte vor einiger Zeit eine Geschäftsidee und ich glaube,
es wird was! Noch ein paar Wochen und dann gehe ich schnurstracks zum Holli [25] und sage ihm, wo er sich sein blödes Verhütungsstäbchen hinstecken soll!“.
    Petras Augen
füllten sich mit Tränen. Sie war wirklich die netteste Kollegin der Welt.
    „Aber zumindest
sag mir vorher Bescheid, ich will unbedingt dabei sein, wenn du es ihm sagst!“.
    „Selbstverständlich,
und Amelie kommt auch mit!“.
    Amelie war
bis vor kurzem für die Vermarktung der Spirale zuständig gewesen.
Passenderweise war sie Anwenderin ihres eigenen Produkts, was alle unsere Außendienstmitarbeiter,
die das Präparat bei den Ärzten bewerben mussten, wussten. Dafür hatte Herr
Thiess gesorgt: Er meinte, es würde die Motivation der Leute ungemein steigern,
wenn sie wussten, dass die Produktmanagerin hinter ihrem Produkt stand.
    Leider wurde
Amelie trotz Spirale schwanger und durfte seitdem nur langweilige Verwaltungsaufgaben
verrichten. Herr Thiess war der Meinung es wäre schlechte Werbung, wenn gerade sie
mit dickem Bauch vor den Außendienst träte. So ein Arsch! Mir hatte er mal
gesagt, ich soll meinen italienischen Charme ausspielen, um die Außendienstler
zu höheren Verkaufsleistungen zu motivieren, worauf ich ihm frech antwortete,
sein holländischer Charme wäre schon genug, mehr vertrügen die Kollegen einfach
nicht. Ich kam mir auch so schon vor wie eine Pharma-Hure.
    Später am
Tag trafen sich alle Produktmanager im großen Meeting-Raum um sich wegen schlechter
Umsätze zusammenstauchen zu lassen. Es war eine demütigende Veranstaltung. Der
dicke Franz, der für die Wechseljahre-Präparate verantwortlich war, ordnete nervös
seine Unterlagen immer wieder neu. Unter seinen Armen breiteten sich dicke
Schweißränder aus. Sonja aus der Abteilung für Psychopharmaka wiederholte immer
wieder leise vor sich hin: „Sorge dich nicht, lebe! Sorge dich nicht, lebe! Sorge
dich

Weitere Kostenlose Bücher