Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
nicht…“.
Nur der
gutaussehende Matthias, der unsere Opiate vermarkten sollte, aber nicht
wirklich dazu kam, denn er war immer im Urlaub oder „krank“, war bester Laune.
Insgeheim munkelte man, er wäre selbst sein bester Kunde, aber das waren natürlich
nur böse Gerüchte. Herr Thiess saß mit einem sadistischen Grinsen am Kopfende
des Konferenztisches und kratzte sich genüsslich am Bauch. Sein Handlanger,
Detlef Schmidt, auch „das Zäpfchen“ genannt, stand neben ihm und bediente einen
Beamer, aus dem gleich die Umsätze unserer Produkte unweigerlich den Weg auf
die Projektionsfläche finden würden.
„Soooo…“,
niederländerte das Biest, „dann wolle wir mal sehe , wer gleich drankommet “.
Alle zogen
automatisch den Kopf ein, außer Matthias, der gerade vergnügt eine SMS in sein
Handy eintippte.
Eine zackige
Umsatzlinie, die eindeutig Richtung Null zielte und somit den Weg in
die Hölle für den armen Produktmanager wies, erschien an der Wand. Alle atmeten
erleichtert auf, außer Franz, dessen Schweißränder sich binnen Sekunden bis zum
Hosenbund ausbreiteten. Der arme Franz hatte einfach Pech gehabt, er hatte
Präparate erwischt, die aus verschiedenen Gründen keiner mehr haben wollte. Das
interessierte Herrn Thiess jedoch nicht die Bohne.
„Was sage Sie dazu, Herr Meier?“, fragte das
Biest jetzt gnadenlos.
„Naja“,
begann Franz zaghaft, „Vielleicht liegt es daran, dass neuere Studien gezeigt
haben, die Präparate würden möglicherweise Brustkrebs hervorrufen?“
Das Grinsen
auf Herrn Thiess dämlichem Gesicht verschwand.
„Das ist
keine Entschuldigen !“, schrie er,
„Dann mache Sie Studien, die die Gegenteil bewiese!“ , schlug er vollkommen irrational vor. Studien über
pharmazeutische Präparate sind eine streng kontrollierte und reglementierte
Angelegenheit und strecken sich über viele Jahre. Die Implementierung einer
solchen Studie war vollkommen außerhalb des Machtradius eines Produktmanagers.
Zum Glück, möchte ich noch hinzufügen.
Alle
schauten ihn vollkommen verdattert an, selbst das Zäpfchen. Um zu vermeiden,
dass er bald in eine Einrichtung mit weißen Kacheln und Gummiwänden landete,
fügte er noch hinzu:
„Oder Sie toupiere die Ergebnisse, sagt man das so?“,
fragte er verunsichert in die Runde. Das war das einzig Positive an Herrn
Thiess. Durch sein mangelhaftes Deutsch brachte er uns trotz der allgemein
schlechten Stimmung in schöner Regelmäßigkeit zum Lachen. Natürlich konnten wir
das nicht offen zeigen und so verschwanden die Gesichter der Frauen jetzt in
ihren Handtaschen und die Männer mussten sich ganz dringend die Nase putzen
oder einen Hustenanfall unterdrücken. Matthias tippte einfach weiter, er hörte
sowieso nicht zu.
Am Ende des
Tages war ich mit einem glimpflichen „Wen habe wir denn da? Ach, die Italiener! Könnte
besser sei, Frau Mellina …“ davongekommen zu sein. Sein Durst nach
Blut war im Großen und Ganzen bereits gestillt. Trotzdem: Es war höchste Zeit für mich, neue Häfen anzusteuern.
*
Am nächsten
Tag hatte ich mir frei genommen.
Wir mussten
dringend am Gino-Projekt arbeiten.
Da Ilaria sowieso nichts zu tun hatte, war sie heute in der
Agentur. Ebenso war Simona mit von der Partie, denn ihre Kinder waren wie Sara
in KiTas untergebracht. Michela wollte später dazu
stoßen, weil wir noch mit Gino über die notwendigen Umbauarbeiten sprechen
mussten.
Ilaria, die auch
sonst großen Wert auf ihr Äußeres legte, hatte sich heute mächtig in Schale
geworfen. Zu einem gewagten Leoparden-Oberteil mit Kapuze trug sie eine
pinkfarbene knallenge Dreiviertel-Hose mit einem dünnen, orangefarbenen Gürtel.
Ihre Füße steckten in gefährlich hohen Lack-Sandalen in Giftgrün mit
durchsichtigem Absatz. Ihre blonden Haare hatte sie mit ebenfalls giftgrünen
Haarklammern gebändigt. Eine pinkfarbene Handtasche im 50er-Jahre-Stil
vervollständigte Ihr Outfit. Ilaria hielt nichts von Colour Matching und sah dabei einfach toll aus!
„Ila, was
hast du vor? Du siehst aus wie Lady Gaga!“, rief ihr Simona zu.
Ilaria
kicherte.
„Naja, es
ist wegen der ragazzi [26] !“, antwortete
sie und genierte sich ein wenig.
„Welche ragazzi?“, riefen Simona und ich aus
einem Mund.
„Die für
Ginos Laden. Ich habe in meinem Stammlokal erzählt, dass wir nette Italiener
für einen Job brauchen und siehe da, es haben sich einige Jungs bei mir
gemeldet. Heute kommen sie zum Vorstellungsgespräch“, sagte sie
Weitere Kostenlose Bücher