Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
Verhütungsmethoden
unterhalten? Das würde uns in Zukunft einige panische Aktionen auf dem Klo
ersparen“, sagte ich ihr.
“Ja, klar, Du bist doch ein Profi auf dem Gebiet der
Frauenmedizin!”, lachte sie.
Naja, dachte ich. Ein cooler Profi ist man nur
solange, bis man selber betroffen ist. Als meine Kollegin Petra das erste Mal
eine unserer raffinierten Verhütungsmethoden selber ausprobierte, geriet sie
aufgrund der ungewöhnliche Anwendung in Panik und das obwohl sie täglich
Anwenderinnen diesbezüglich beriet! Auch die Geschichte meiner Schwangerschaft,
an die ich nach meinem Telefonat mit Simona denken musste, war ein gutes Beispiel
dafür, wie Emotionen die Objektivität eines Menschen beeinträchtigen.
*
Durch meinen Job in der Pharmaindustrie war mir damals
durchaus bewusst, dass Ärzte nicht immer recht haben.
Als mir an einem trüben Oktober-Tag einige Myome
entfernt wurden, meine Gebärmutter wieder zugenäht wurde und ich im
Krankenhausbett wieder aufwachte, schien ich dies jedoch komischerweise
vergessen zu haben. Vielleicht lag es an den Folgen der Vollnarkose oder an den
Schmerzmitteln, die ich eingenommen hatte. Wie dem auch sei: Als dann der
dritte Arzt in Folge mein Krankenlager besuchte und mir ganz ruhig und doch
merkwürdig eindringlich dazu riet, möglichst schnell über ein Kind
nachzudenken, denn sonst könnte es zu spät sein, fing ich an zu weinen. Auch
die eilig herbeigerufene Haus-Psychotherapeutin konnte mir über meine tiefe
Verzweiflung nicht hinweghelfen. Ein Blick auf ihre eingefallenen Wangen, ihre
strähnigen grauen Haaren und ihre komischen Ohrringe,
die wie Papageien aussahen (so etwas hatte ich mit zwölf Jahren, also in den
bereits mehrfach zitierten berühmt-berüchtigten 80-ern) verstärkten meine
Depression eher und überzeugten mich von der Sinnlosigkeit des Lebens. Jetzt,
wo ich das erzähle, finde ich es recht eigenartig, dass mir in meiner
unendlichen Traurigkeit ihre Ohrringe aufgefallen sind und sie sich in mein
Gedächtnis eingeprägt haben. Sie müssen wirklich grauenhaft gewesen sein.
Meine Lebenssituation war damals nicht gerade eine
der besten. Meine turbulente Beziehung mit Martin war gerade zwei Jahre alt und
ich war auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle, denn Tatsache ist, dass
es angenehmere Tätigkeiten als die eines Produktmanagers in der Pharmaindustrie
gibt. Und jetzt soll ich ein Kind bekommen? Ausgerechnet jetzt?? Es heißt zwar,
es gäbe nie den perfekten Zeitpunkt für ein Kind, aber ein bisschen passender
hätte er schon sein können! Aus diesem Grund badete ich in Selbstmitleid und
niemand konnte mich trösten. Ich fühlte mich richtig hereingelegt, und das von
meiner eigenen Gebärmutter! Als Martin mich am Abend mit einem Sträußchen Rosen
besuchen kam, berichtete ich ihm die Neuigkeit.
Dass er nicht auf der Stelle umdrehte, die Rosen in
den Abfalleimer warf und die Tür hinter sich zuknallte, hielt ich für ein gutes
Zeichen oder immerhin für ein nicht ganz so schlechtes.
Und doch kam ich mir in dem Moment vor wie jene
Frauen nah ihres vierzigsten Geburtstags, die sich bei Afterwork-Parties rumschleichen, die Augenringen und Lachfältchen nur schlecht übergeschminkt und
eine so verzweifelte Miene zur Schau stellen, dass sie sich genauso gut ein
Schild an der Stirn kleben könnten mit den Worten „Suche Vater meiner Kinder“.
Kurzum, ich kam mir so vor, als würde ich Martin um ein Kind anbetteln. Eine
ziemlich demütigende Situation.
Martin tröstete mich so gut er konnte, aber an seinem
verkniffenen Mund, der ungefähr so aussah, als hätte er in eine Zitrone
gebissen, konnte ich erkennen, dass er nicht wirklich bereit war, sich sofort
seines Schlips zu entledigen, ins Bett zu schlüpfen, und mich auf der Stelle zu
befruchten. Wieder zu Hause wurde ich fast verrückt vor lauter Nachdenken. Wie
konnte ich aus dieser verzwickten Lage wieder heraus? Wollte ich wirklich ein
Kind? Und wollte ich es wirklich mit Martin? Konnte ich das Risiko eingehen,
doch noch zu warten? Und wenn ich dann keine Kinder mehr bekommen konnte? Schon
sah ich mich mit Mitte Vierzig und schlecht blondierten Haaren an der Theke
einer Bar abhängen. Der Blick durch die vielen eingenommenen Drinks bereits
getrübt, würde ich den jungen und knackigen Barkeeper anlächeln und dabei
versuchen, sexy und begehrenswert zu wirken. Er, der Barkeeper, würde zwar das
Spiel mitspielen aber nur, weil er eine Wette mit seinen Kumpels verloren
hatte, in der es um
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