Fragmente des Wahns
rauchen.“
„Okay“, sagte Alex und dachte, dass Andreas das Rauchen schon seit Jahren aufgegeben hatte. Das war seltsam und untypisch für seinen Bruder. Doch wenn Alex darüber nachdachte, so war dieser schon den ganzen Tag ein wenig merkwürdig. Zwar sehr unauffällig, aber Alex kannte ihn schließlich schon sein ganzes Leben lang. Dennoch wollte Alex nichts sagen, denn Andreas half ihm mehr, als er sollte. Daher sollte er ihm wenigstens ein paar Freiheiten einräumen.
Andreas kehrte erst zurück, als der Zug einfuhr. Gemeinsam stiegen sie ein und nahmen Platz. Die Brüder setzten sich einander gegenüber. Der Zug fuhr los und die ersten Minuten herrschte Stillschweigen, bis Alex es brach.
„Danke noch mal, dass du mitgekommen bist.“
„Danke dafür, dass du dich mir anvertraut hast.“
„Es war mehr als überfällig.“
„Wozu Träume nicht alles gut sind, was?“
„In dieser Hinsicht schon.“
Alex wirkte plötzlich bedrückt und Andreas entging es nicht.
„Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, ob Doktor Fleischmann nicht wirklich recht mit allem hat?“
„Du meinst, dass mein Gehirn beschädigt wurde und ich dadurch Wunschtraumhalluzinationen habe?“
„Ja, ich meine, es klingt doch plausibel.“
„Schon … und ja, ich habe darüber nachgedacht, aber ich weiß nicht, mein Gefühl sagt mir etwas anderes. Es muss mehr dahinterstecken?“
„Warum?“
„Ich weiß es nicht, es ist einfach ein Gefühl. Das kann man nicht erklären. Ist es nicht schon merkwürdig genug, dass Doktor Fleischmann ausgerechnet dann verschwindet, sobald er die Ergebnisse hat?“
„Vielleicht gibt es einen familiären Notfall? So was kommt vor. Du weißt, dass ich dir beistehe, Alex, aber das heißt noch lange nicht, dass ich deiner Meinung bin.“
„Schon klar.“
„Ich meine, sei mal ehrlich. Was soll da groß gewesen sein? Das ist doch völlig unlogisch. Seit Lillis Geburtstag hast du Halluzinationen, Zusammenbrüche und verlierst den Bezug zur Realität. Ich muss Doktor Fleischmann einfach recht geben, es deutet vieles auf eine Schädigung des Gehirns hin. Wir hätten wirklich lieber ins Krankenhaus fahren sollen, anstatt hier zu sitzen.“
„Aber es gibt auch viele Dinge, die keinen Sinn ergeben. Zum Beispiel die Tatsache, dass bei den ersten Untersuchungen nichts Unauffälliges entdeckt wurde und dann noch die Tatsache, dass ich mich nicht an den Autounfall selbst erinnern kann. Irgendetwas muss dort passiert sein.“
„Ja, Alex, natürlich. Und zwar ein Autounfall. Es ist zwar ungewöhnlich, dass man nach einem leichten Autounfall an Gedächtnisverlust leidet, aber es kommt vor.“
„Trotzdem. Egal was du jetzt sagen wirst, Andreas, wird mich nicht davon abhalten, wenigstens diesem letzten Hinweis nachzugehen. Ich habe dieses Gefühl und ich muss es einfach versuchen. Verstehst du das?“
„Natürlich, deswegen helfe ich dir ja. Doch ich mache mir eben auch Sorgen um dich.“
„Nur noch dieses Haus, Andreas. Dann fahren wir ins Krankenhaus. Mir bleibt sowieso nur dieser Hoffnungsschimmer. Danach ist alles vorbei. Egal was in Nürnberg auch passieren wird.“
„Okay, dann lassen wir das Thema und genießen den Rest der Zugfahrt. Wollen wir mal schauen, ob wir was Trinkbares auftreiben?“
„Einverstanden.“
Die restliche Fahrt über hatten sie nur noch Belanglosigkeiten ausgetauscht und Alex war froh darüber. Natürlich verstand er die Bedenken seines Bruders und doch wollte er seinen Kopf durchsetzen, nur noch dieses eine Mal.
Eine Stunde später waren sie im Nürnberger Hauptbahnhof, wo etwas mehr los war als in Regensburg. Alex war es egal, denn er wollte nur so schnell wie möglich zu diesem Haus.
„Willst du gleich los oder gehen wir erst was essen?“, fragte Andreas, als der Ausgang in Sichtweite kam.
„Hast du denn Hunger?“, fragte Alex zurück.
„Ein wenig. Du willst sofort los, nicht wahr?“
„Wenn es dir nichts ausmacht.“
Alex war es fast ein wenig peinlich.
„Nein, ist schon gut.“
Die Fronten waren geklärt und so verließen sie den Hauptbahnhof, fanden ein Taxi und stiegen ein. Alex vorne und Andreas hinten.
„Kennen Sie die Wilderstraße 7?“, fragte Alex den Taxifahrer. „Klar, das ist nicht weit von hier, etwa zehn Minuten.“ Vom Akzent her war es eindeutig ein Russe. „Wollen Sie den Preis wissen?“
„Nein, danke. Ich muss auf jeden Fall dorthin.“
„Okay.“ Mehr hatte der Russe nicht zu sagen. Er fuhr los.
Der
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