Fragmente: Partials 2 (German Edition)
zu hören, dass es eine so einfache Lösung geben könnte.« Samm lächelte nicht, doch Kira glaubte einen Anflug von Belustigung über den Link wahrzunehmen. Sie aß eine weitere Handvoll Erdnüsse.
»Das wünschst du dir aus tiefstem Herzen, nicht wahr?«, fragte Samm.
Kira sah ihn neugierig an.
»Eine geeinte Welt.« Er blickte immer noch aus dem Fenster. »Eine Welt, in der Partials und Menschen friedlich zusammenleben.« Aus den Augenwinkeln warf er ihr einen Blick zu.
Kira nickte nachdenklich, kaute ihre Erdnüsse und schluckte sie hinunter. Ja, genau das wollte sie, seit … seit sie herausgefunden hatte, wer sie wirklich war. Eine Partial, die als Mensch aufgewachsen war, sich mit beiden Gruppen verbunden fühlte, aber keiner Seite hundertprozentig angehörte. »Manchmal glaube ich …« Sie hielt inne. Manchmal glaube ich, nur dann bin ich mit mir und meiner Umwelt im Reinen. Ich gehöre keiner Gruppe wirklich an, aber wenn beide geeint sind, dann bin ich keine Außenseiterin mehr. Dann gehöre ich einfach dazu. Sie seufzte. Sie war zu befangen, um ihre Gedanken einfach auszusprechen. »Manchmal denke ich, das ist der einzige Weg, um alle zu retten«, sagte sie leise. »Wenn alle geeint sind.«
»Das wird viel schwieriger, als einfach nur unsere Krankheiten zu heilen«, mutmaßte Samm.
»Ich weiß«, stimmte sie ihm zu. »Wir suchen die Labors von ParaGen, entdecken Pläne und Formeln, heilen RM und das Verfallsdatum. Letzten Endes spielt das aber alles keine Rolle, weil die Gegner einander nicht trauen.«
»Eines Tages bleibt ihnen nichts anderes übrig«, prophezeite Samm. »Wenn es um die Frage geht, ob man vertraut oder ausgelöscht wird, ob man vertraut oder untergeht – wenn sie endlich erkennen, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, dann werden sie es auch tun.«
»Das mag ich so an dir, Samm«, sagte Kira. »Du bist ein unverbesserlicher Optimist.«
Während der ersten Tage verlief die Straße geradeaus und eben. Alles ging beinahe beunruhigend glatt. Links und rechts lagen Farmen, die inzwischen vom Gras und den Herden verwilderter Pferde und Rinder erobert worden waren. Jeder neue Ausblick schien dem vorigen zu gleichen, so als tauchte bis in alle Unendlichkeit immer wieder ein und dieselbe Farm auf, bis Kira das Gefühl hatte, überhaupt nicht voranzukommen. Gelegentlich verlief der Illinois River im Süden gleich neben der Straße, und Kira konnte feststellen, dass sie durchaus beträchtliche Strecken zurücklegten. Sie ritten langsam, fütterten und tränkten die Pferde und versorgten Afa mit Medikamenten. Seine Verletzung heilte nur langsam ab. Kira gab ihr Bestes, um ihn bei Laune zu halten.
Drei Tage nachdem sie Chicago verlassen hatten, erreichten sie eine Stadt auf einer Insel am Zusammenfluss zweier Ströme. Sie überquerten den Rock River und drangen nach Moline ein. Der Ort war sumpfig, aber passierbar, doch der Fluss auf der anderen Seite stellte ein unüberwindliches Hindernis dar. Es war der Mississippi, und die Brücken waren verschwunden.
»Das gefällt mir nicht.« Kira betrachtete den mächtigen Strom. Sie hatte schon vom Mississippi gehört, der bis zu anderthalb Kilometer breit werden konnte. Hier war er schmaler, maß stellenweise aber immer noch achthundert Meter, wenn nicht mehr. So weit konnten die Pferde auf keinen Fall schwimmen, und mit Afa auf dem Rücken sowieso nicht. »War es der Krieg oder einfach nur der natürliche Verschleiß?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Samm.
Heron schnaubte. »Spielt das eine Rolle?«
Kira betrachtete das vorbeiströmende Wasser. »Vermutlich nicht. Was jetzt?«
»Ohne Brücke kann Afa den Fluss nicht überqueren«, überlegte Samm. »Außerdem würden die Funkgeräte nass. Ob sie wirklich so wasserdicht sind, wie die Aufschrift behauptet? Ich würde sagen, wir folgen dem Flussufer, bis wir eine intakte Brücke finden.«
»Nach Norden oder Süden?«, erkundigte sich Heron. »Diese Frage ist wirklich von Bedeutung.«
»Nach unserer Karte sind wir immer noch ein Stück nördlich von Denver«, überlegte Kira. »Wir reiten nach Süden.« Sie wendeten die Pferde, Kira flüsterte Bobo etwas Ermutigendes ins Ohr und tätschelte ihm sanft den Hals. Unmittelbar am Flussufer kamen sie nicht vorwärts, manchmal mussten sie sogar zweihundert Meter Abstand halten, weil es entweder zu steil, zu sumpfig oder zu dicht mit Bäumen bewachsen war, wenn nicht sogar alle drei Hinderungsgründe gleichzeitig zutrafen. So weit wie möglich
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