Fragmente: Partials 2 (German Edition)
eindringen müssen. Er ist der Einzige, der dazu fähig ist. Wir müssen nur dafür sorgen, dass er überlebt.
Als alle aufgesessen hatten und bereit waren, führte Kira sie statt zum Freeway zu einem großen Krankenhaus auf der anderen Seite. »St. Bernard’s«, sagte sie, als sie das verwitterte Schild an der Parkplatzzufahrt erkennen konnte.
»Sollen wir in der Apotheke nach Antibiotika suchen?«, fragte Heron. »Oder rechnen wir lieber gleich mit Gewehrläufen, die an den Kragen riesiger zottiger Hunde hängen?«
»Solange die Hunde nicht reden, ist mir das gleichgültig«, erwiderte Kira. Die sprechenden Hunde ließen ihr keine Ruhe. In der vergangenen Nacht hatte sie wieder von ihnen geträumt – wie sie als wildes Raubtier mit ihnen gelebt hatte, weder von den Menschen noch von den Partials geduldet. Natürlich wusste sie, dass ihr Hass auf die Hunde unberechtigt war. Die Tiere konnten ebenso wenig etwas für ihre Existenz wie sie selbst. Schließlich schob sie die düsteren Gedanken beiseite und betrat das Krankenhaus, um Samm zu zeigen, wie er die erforderlichen Medikamente sortieren musste, während Heron Afa und die Pferde bewachte. Sie füllten eine ganze Satteltasche mit Antibiotika und Schmerzmitteln und ritten weiter nach Westen.
In das vergiftete Ödland.
Der schnellste Weg aus der Stadt war eine Eisenbahnstrecke, die in gerader Linie nach Südsüdwest den Highwayfluss überspannte. Die Gleise verliefen hoch über dem überschwemmten Gebiet auf einer Brücke, der sie mehrere Kilometer weit nach Süden folgen konnten. Sie kamen an Güterbahnhöfen, Schulen und verfallenen Wohnhäusern vorbei. Irgendwann überquerten sie auch einen über die Ufer getretenen Fluss. Die Gleise verliefen völlig gerade, und sie kamen weitgehend trockenen Fußes voran. Allerdings war der Untergrund steinig und schwierig für die Pferde. Sie hatten das Stadtgebiet noch nicht ganz hinter sich gelassen, da wurde es schon zu dunkel zum Weiterreiten. In einer verfallenen Stadtbibliothek schlugen sie ihr Nachtlager auf und ließen die Pferde das hohe Sumpfgras vor dem Haus abweiden, bevor sie die Tiere vorsichtig über die Rampe ins trockene Innere des Gebäudes führten. Kira überprüfte Afas Verband, verpasste ihm eine Ladung Schmerzmittel und säuberte die Wunde, während er schlief. Heron fing draußen im Sumpf Frösche und Eidechsen und grillte sie auf einem Feuer, das von alten Stühlen und Zeitschriften gespeist wurde. Die Bücher in der Bibliothek waren vermodert und verrottet. Obwohl niemand auf der Welt sie noch las, verhinderte Kira, dass sie ins Feuer geworfen wurden. Es wäre ihr falsch vorgekommen.
Am nächsten Morgen stellten sie fest, dass sie nicht mehr weit vom Interstate 80 entfernt waren. Es war die breite Straße, der sie von Manhattan aus gefolgt waren. Hier befanden sie sich jedoch hundertfünfzig Kilometer westlich von jener Stelle, an der sie auf dem Weg nach Chicago abgebogen waren. Sie ritten auf die höher gelegene Straße hinauf. Sie war trockener als die Eisenbahnstrecke und für die Pferde viel leichter zu begehen. Diesem Highway folgten sie den ganzen Tag. Ringsum breitete sich das endlose Stadtgebiet aus, Gebäude um Gebäude, Straße um Straße, Ruine um Ruine. Vororte zogen vorbei – Mokena, New Lenox, Joliet, Rockdale. Sie gingen ineinander über und verschmolzen zu einer einzigen Metropole. Als der Abend nahte, erreichten sie den Rand des Stadtteils Minooka, um den die Straße im Süden einen Bogen schlug. Erst hier entdeckte Kira das offene Weideland, das sich weit nach Westen erstreckte. Der Horizont war flach und konturlos, ein Meer aus Erde, Gras und Marschland. Sie schliefen in einem riesigen Lagerhaus, das früher einmal als Pausenraum für Fernfahrer gedient haben mochte. Ein Gewitter zog auf, und der Regen trommelte heftig auf das Metalldach. Afas Wunde sah nicht besser aus als am vergangenen Abend, aber wenigstens auch nicht schlimmer. Kira rollte sich im Schlafsack zusammen und las im Mondschein einen Krimi, den sie aus der Bibliothek mitgenommen hatte. Dieser Mann wird gewiss von Dämonen gehetzt, dachte sie, aber wenigstens kann er am nächsten Morgen warm duschen.
Sie schlief mit der Nase im Buch ein und wachte wieder auf, in eine warme Decke gehüllt. Samm starrte aus dem Fenster in den Sonnenaufgang über der Stadtlandschaft. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder dem heller werdenden Himmel zuwandte.
Kira richtete sich auf, streckte Rücken und
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