Fragmente: Partials 2 (German Edition)
hatte er sich umgebracht. Trotz der Wärme lief ihr ein Schauer über den Rücken. »Was ist, wenn sich hinter der Sicherung etwas Schreckliches verbirgt? Wenn sie in genau jenem Moment anspricht, in dem wir denken, wir hätten alles in Ordnung gebracht? Wenn alles zum Teufel geht? Wir wissen ja nicht einmal, was genau die Sicherung ist. Es könnte alles Mögliche sein.«
»Woher weißt du, ob das überhaupt eine Rolle spielt?«, entgegnete Heron.
»Es muss wichtig sein«, beharrte Kira. »Der Trust hat einen Plan verfolgt. Das Heilmittel für die RM -Seuche liegt in den Hormonen der Partials, und außerdem gibt es mich – so etwas wie eine Partialfrau, die in einer Menschensiedlung gelebt hat. Das alles kann kein Zufall sein. Wir müssen herausfinden, was es zu bedeuten hat.« Sie hielt inne. »Wir müssen es einfach herausfinden. Das ist der gleiche alte Streit, den ich schon so oft mit Mkele hatte. Es geht um die Gegenwart und die Zukunft. Manchmal muss die Gegenwart zur Hölle werden, damit die Zukunft so wird, wie sie sein soll.« Sie schaltete das Mikrofon wieder ein. »Wir gehen weiter«, sagte sie nur. »Over.«
21
Vom Camelback Mountain bis zum Susquehanna River folgte ihnen eine weitere Hundemeute, ging jedoch nie zum Angriff über. Samm band die Lebensmittel und die Ausrüstung nachts hoch oben in den Bäumen fest, und Heron und Kira kümmerten sich um den Schutz der Pferde. Afa redete nicht mehr mit Samm und kaum noch mit Heron. Wenn er Heron doch ansprach, schien er die beiden Mädchen zu verwechseln. Morgens, wenn er ausgeruht war, ging es ihm besser, doch mit jedem Tag wurde er etwas misstrauischer und geheimniskrämerischer. Kira beobachtete, wie sich eine dritte Persönlichkeit entwickelte, eine gefährliche Mischung aus dem verwirrten Kind und dem paranoiden Genie. In diesem Zustand stahl Afa ein Messer aus Kiras Ausrüstung und wollte Samm niederstechen, als dieser dem Rucksack zu nahe kam. Sie nahmen ihm das Messer wieder ab, aber Kira befürchtete, dass dieser Zwischenfall auf lange Sicht noch größeren Schaden anrichten und Afas Misstrauen und seinen Verfolgungswahn weiter nähren könnte.
Unterwegs dachte Kira über ihre Erfahrungen mit dem Link nach. Manchmal spürte sie etwas, dann wieder nichts. Wirklich zusammenreimen konnte sie sich das alles nicht. Vielleicht waren aber gar keine unberechenbaren Zufälle am Werk, sondern sie verfügte einfach über zu wenig Informationen. Schließlich versuchte sie, Samms Emotionen aufzufangen oder ihm eine Nachricht zu senden, scheiterte aber kläglich. Anscheinend gelang die Übermittlung nur, wenn sie unter hohem Druck stand, beispielsweise im Gefecht. Nachdem sie es einige Tage lang vergeblich versucht hatte, wandte sie sich direkt an Samm.
»Zeig mir, wie du den Link benutzt!«
Samm musterte sie mit unbewegter Miene, und doch war ihr klar, dass er Linkdaten aussandte, die seine Gemütsverfassung widerspiegelten. War er verwirrt? Misstrauisch? Sie biss die Zähne zusammen und versuchte ihn zu spüren, fing jedoch nichts auf. Oder es gelang ihr nicht, zwischen dem Link und intuitiver Erfassung zu unterscheiden.
»Du kannst die Nutzung des Links nicht erlernen«, erklärte er. »Das ist so, als wolltest du sehen lernen. Entweder sehen deine Augen, oder sie sehen nicht.«
»Vielleicht benutze ich den Link bereits unbewusst, ohne es zu merken. Zeig mir, wie es funktioniert, damit ich es erkenne, wenn es geschieht!«
Samm ritt eine Weile schweigend weiter, schließlich schüttelte er den Kopf. Es war eine überraschend menschliche Geste, die er wohl ihr oder Heron abgeschaut hatte. »Wie soll ich es dir beschreiben? Schließlich weiß ich nicht, wie sich alles ohne Link anfühlt«, entschuldigte er sich. »Es ist so, als hättest du keine Augen. Du benutzt deine Augen ständig – der Sehsinn ist für Menschen und Partials so wichtig, dass er allen Lebensbereichen eine Färbung verleiht. Sogar das Wort Färbung belegt dies, denn es kann auch abstrakte Vorgänge beschreiben. Es ist eine Metapher aus dem Reich des Auges, die zur Beschreibung von etwas Unsichtbarem benutzt wird. Stell dir jemanden vor, der ohne Augenlicht lebt! Dann hast du einen Anhaltspunkt, wie ich mir das Leben ohne den Link vorstelle.«
»Aber das Auge täuscht uns immer wieder«, wandte Kira ein. »Auch Blinde können sich in der Gesellschaft bewegen, und ich möchte wetten, dass sie ohne Weiteres auch Metaphern wie Färbung verstehen.«
»Trotzdem gilt Blindheit als
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