Fragmente: Partials 2 (German Edition)

zunehmend Angst. In nahezu jedem Ort wollte er anhalten und wie ein Besessener die Buchläden oder Bibliotheken durchsuchen. Die Gegend wurde von lang gestreckten niedrigen Hügelketten beherrscht. Afa ging es besser, wenn sie die Täler zwischen den Erhebungen durchquerten, die zwar keine Häuser waren, aber zu seiner Beruhigung immerhin das Blickfeld eingrenzten. Kira hoffte, dass sich das Hügelland bis Chicago erstreckte, doch je weiter sie nach Westen gelangten, desto flacher und konturloser wurde das Gelände. Als sie den Allegheny River überquerten und die Ebenen des Mittleren Westens vor ihnen lagen, murmelte Afa immer zusammenhangloser vor sich hin. An der Grenze zwischen Pennsylvania und Ohio erkannte Kira, dass er nicht nur redete, sondern sich mit einem ganzen Chor von Stimmen in seinem Kopf herumstritt.
    Im Mittleren Westen waren die Städte Afas einzige Rettung. Glücklicherweise hatten die Orte eine größere Ausdehnung und lagen näher beieinander. Heron dagegen wurde immer vorsichtiger, rechnete sie doch allenthalben mit dem Angriff unsichtbarer Feinde. Soweit wie möglich blieben sie auf dem Interstate 80, durchquerten Youngstown und folgten der Straße nach Norden bis zu einem Ort namens Cleveland. Beide Städte waren gespenstisch leer. Hier fehlte sogar der Kudzu, der Kiras Heim an der Ostküste in einen Dschungel verwandelt hatte. New York war still und verlassen, aber die Pflanzen erweckten immerhin einen Anschein von Lebendigkeit. Die verfallenen Städte dieser Region waren tot und kahl, angegriffen von Wind und Wetter. Es waren untergehende Monumente in einer konturlosen weiten Ebene. Kira fühlte sich schon einsam, wenn sie sich in den Orten nur umsah, und sie war so froh wie Heron, wenn sie die Siedlungen hinter sich ließen. Die Straße führte am Südufer eines grauen Meers entlang, das laut Samm lediglich ein See war. Als sie die Wasserfläche auf der Karte betrachtete, konnte Kira kaum glauben, dass sie kein Teil des Ozeans war, den sie hinter sich zurückgelassen hatten. Sie hatte das Meer noch nie gemocht, weil sie sich am Strand immer klein und schutzlos fühlte, doch jetzt sehnte sie sich danach. Sie sehnte sich auch nach ihren Freunden – vor allem nach Marcus. Bobo wieherte und schüttelte die Mähne, und sie tätschelte ihm dankbar den Hals. Sie konnte nicht verstehen, wie die alte Welt ohne Pferde zurechtgekommen war. Autos konnte man nicht streicheln.
    In einer Stadt namens Toledo mündete ein breiter Fluss, der sich von Süden heranschlängelte, in den See. Am Ufer zügelten sie die Pferde. Die Böschung fiel bis zu dem tosenden Fluss zwanzig Meter steil ab. Drunten lagen die Trümmer der Brücke, die den Interstate 80 getragen hatte.
    »Was ist hier passiert?« Beim Blick in die Tiefe wurde Kira fast schwindelig. Der Wind peitschte ihr Haar. »Die Brücke war zu neu, um einfach zusammenzubrechen.«
    »Sieh dir die Streben an!« Samm deutete nach unten auf die Metallträger, die auf ihrer Seite des Abgrunds schief aus dem Beton aufragten. »Sie wurde in die Luft gejagt.«
    »Das sollte dich glücklich machen«, sagte Heron zu Afa. Afa ließ Galgenstrick im Kreis laufen, achtete nicht auf seine Gefährten und murmelte Drohungen, die sich nach Kiras Ansicht nur zum Teil auf das Pferd bezogen.
    »Wir müssen die Schlucht umgehen.« Samm zog Buddy nach links und wollte umkehren. Kira blieb am Abhang stehen und blickte zur anderen Seite hinüber. Die Trümmer der Brücke hatten eine Barriere im Fluss geschaffen. Sie war weder groß noch hoch genug, um das Wasser aufzustauen, behinderte es aber doch so stark, dass es schäumend über das Hindernis hinwegrauschte, bevor es ein Stück weiter wieder ruhiger dahinfloss.
    »Wer könnte die Brücke gesprengt haben?«, fragte sie.
    »Es herrschte Krieg«, antwortete Heron. »Wahrscheinlich warst du noch zu jung, um dich daran zu erinnern.«
    Am liebsten hätte Kira die Partialfrau böse angefunkelt, hielt sich aber zurück. »Ich weiß, dass Krieg herrschte«, antwortete sie. »Ich verstehe nur nicht, welche Seite gute Gründe hatte, eine Brücke in die Luft zu jagen. Du hast mir gesagt, die Partials hätten sich auf militärische Ziele konzentriert, sie kommen also nicht infrage. Und die Menschen hätten doch sicher ihre eigenen Bauwerke nicht zerstört.«
    »Mit dieser Einstellung hat der Krieg begonnen«, erwiderte Heron. Kira war überrascht, welcher Zorn aus Herons Worten sprach.
    »Das verstehe ich nicht.«
    Heron sah sie