Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk: Deutsche Helden privat (German Edition)
der Berliner Großbuchhandlung natürlich wieder die Farbe Grau beziehungsweise Graumeliert. Silberrücken, so weit das Auge reicht. Gut angezogene Deutsche zwischen fünfundvierzig und fünfundsiebzig. Viele mit Einstecktüchern. Auch Lodenmäntel kommen in diesem speziellen Biotop überdurchschnittlich oft vor. So ist das immer, wenn der Godfather-of-Das-wird-man-in-Deutschland-ja-wohl-noch-laut sagen-dürfen öffentlich auftritt. Seine Fans sind eben nicht der Pöbel. Und wenn doch, dann ein sehr bürgerlicher Pöbel.
Thilo Sarrazin, abgelichtet vor Migrationshintergrund in Batteriehaltung.
«Was ist das Erfolgsgeheimnis Ihrer Bücher?», hat so ein junger Schnösel vom «Stern» den Bestseller-König neulich gefragt. Sarrazin hat natürlich das Übliche geantwortet: dass seine Bücher einfach nur Fakten auflisten, die von der Politik aus Gründen völlig verkrampfter politischer Korrektheit totgeschwiegen würden. Dass er nur ein nüchterner Wissenschaftler sei, ein Ökonom, der einfach den Finger in die Wunde legt. Ist natürlich kompletter Bullshit, das weiß der alte Zahlenhuber und freut sich ein Loch, weil es tatsächlich so unfassbar leicht ist, in diesem Land Büchermillionär zu werden. Das Zauberwort lautet schlicht und einfach: Angst.
Der Deutsche hat für sein Leben gern Angst. In erster Linie vor dem sozialen Abstieg. Das ist sozusagen die Urangst des deutschen Spießers. «Wenn wir ständig diesen ganzen Griechen und Portugiesen helfen, ist dann MEINE Rente noch sicher?» – «Wenn hier jeder dahergelaufene Kuffnucke aus Absurdistan Hartz IV kassiert, was wird dann aus MEINER Altersvorsorge?» Hat man einmal begriffen, wie bereitwillig sich der deutsche Spießer wirklich gruselt, besitzt man die Lizenz zum Gelddrucken. Sarrazin hat sogar schon überlegt, ob er für «Das Buch zur Spießerangst» Titelschutz anmelden soll, aber ihm ist gerade noch eingefallen, dass das bei seiner Zielgruppe vielleicht nur so mittel ankäme.
Dann doch lieber die Spießerkuh melken, solange es noch geht. Die Medien spielen ja weiter brav mit. Berechenbar wie Nachbars Lumpi. In «Europa braucht den Euro nicht» hat er es mal wieder exemplarisch vorgemacht. Ein Satz reicht völlig: «Jede nationale Entscheidungshoheit muss an Europa abgegeben werden, als Buße.» Dann noch flugs das Wort «Holocaust» eingestreut, und zack, springt sie wieder an, die gute alte Empörungsmaschine, von «Bild» bis «Spiegel». «Nicht zu fassen, dass andere, dümmere Autoren wirklich Geld für PR ausgeben», denkt Sarrazin lächelnd, während sich die letzten Rentner in den Lesungssaal quetschen.
Auf die Formulierung mit der «Buße» ist er besonders stolz. Er weiß natürlich, welche Gedanken da bei seinen treuen Lesern losgetreten werden. «Wir haben doch seit dem Zweiten Weltkrieg nun wirklich schon genug gebüßt für die ganze Nazi-Sache! Irgendwann muss auch mal Schluss sein!» Davon steht natürlich gar nichts drin in dem ollen Euro-Schmöker, und Sarrazin würde so was auch nie schreiben. Er ist ja nicht blöd. Und hat trotzdem einen weiteren kostbaren Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-dürfen-Moment geschaffen.
So viele gute Spießerangst-Formulierungen sind ihm über die Jahre nun schon eingefallen, zum Beispiel diese eine Stelle aus «Deutschland schafft sich ab» oder besser aus «Meine ersten drei Millionen» (wie er das Buch privat nennt): «Wir sind als Volk und Gesellschaft zu träge, selbst für ein bestandserhaltendes Geburtsniveau Sorge zu tragen, und delegieren diese Aufgabe quasi an Migranten.» Heißt übersetzt: Die Deutschen sind inzwischen sogar zu faul zum Knattern. Sie LASSEN knattern. «Und einmal mehr muss der Ausländer die Drecksarbeit für uns machen», denkt Sarrazin hinter der Bühne und kichert in sich hinein. Ja, auf so was musst du erst mal kommen! Die Kombination aus Sex und Fremdenfeindlichkeit, den zwei absoluten Garanten für optimalen Bücherabsatz. Und jetzt sitzen sie da unten wieder endlos aufgereiht, die Lodenmäntel und die Einstecktücher, quasi in fiebriger Vorfreude. Auf welche Angst-Taste wird ihr Messias diesmal drücken?
Das Licht wird gedimmt, Thilo Sarrazin betritt die Bühne. Minutenlanger, frenetischer Applaus. Einige Rentner stampfen mit den Füßen. In Reihe vierzehn erstickt ein pensionierter Studienrat aus Detmold an seinem Gebiss, aber das wird man erst in zwei Stunden merken, wenn das Saallicht wieder angeht. Sarrazin deutet eine preußisch knappe Verbeugung an und
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