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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gehört hatte. Es war der Name von RaEms Liebhaber im alten Ägypten gewesen. Eines Liebhabers, der wie vom Erdboden verschwunden war und für ermordet gehalten wurde, eines Mannes der am dreiundzwanzigsten Phamenoth geboren war, genau wie RaEm, Cheftu und ich.
    Ein Mensch, den das Schicksal - oder was auch immer - dazu ausersehen hatte, durch die Zeit zu reisen. War er gereist und hatte dabei den Körper mit jemandem getauscht? Und wenn ja, mit wem? Und falls nicht, wieso hatten wir anderen dann zwei Jahre lang ein kosmisches Spiel der musikalischen Körper gespielt und er nicht?
    Manchmal hatte ich das Gefühl, das große Ganze nur zur Hälfte zu sehen. Das Gefühl wurde immer stärker, je öfter ich in einer anderen Welt erwachte. Mein Blick fiel auf den Meeresgott. Einer ganz anderen Welt.
    Nachdem wir Körper getauscht hatten, hatte es Monate gedauert, bis »ich« - also RaEm - mich weit genug erholt hatte, um zu sprechen, und auch dann hatte sie nur Kauderwelsch geplappert. Eines Nachts im Juli 1995 war sie aus ihrem Krankenzimmer geschlichen. Am nächsten Tag hatte man sie halb tot im Karnaktempel von Luxor gefunden.
    Nicht nur das, sie war auch noch von einer Touristengruppe gefunden worden, was in ganz Ägypten zu illustren Schlagzeilen geführt hatte.
    TOCHTER EINES BOTSCHAFTERS VERSUCHT SELBSTMORD WEGEN MÖGLICHEM FRIEDEN IN NAHOST;
    ÜBERDOSIS FÜR PRIVILEGIERTE AMERIKANERIN; VERWÖHNTE US-SCHLAMPE ENTEHRT FAMILIE ...
    Der Tenor des Artikels hing ganz von der jeweiligen politischen Position ab.
    Im zweiten Jahr war RaEm zur Ruhe gekommen. Sie hatte ihre Zeit, oder genauer meine Zeit, damit zugebracht, mit ihrem Freund Phaemon auf diversen Kairoer Partys zu erscheinen oder fernzusehen. RaEm war zum TV-Junkie geworden. Sie starrte ununterbrochen in die Glotze, eine Gewohnheit, die sie im Krankenhaus angenommen hatte. Sie sah sich alles an, von griechischen Seifenopern angefangen bis zu Sendungen des Discovery Channel.
    Egal was, und das bis in die frühen Morgenstunden. Sie würde den Fernseher überhaupt nicht mehr ausschalten, hatte Cammy behauptet.
    Soweit ich das nach einem Jahr in ihrem Körper beurteilen konnte, war RaEm nicht wissbegierig oder intelligent genug, um sich für etwas anderes als sie selbst zu interessieren, sogar wenn es sich um eine so passive Beschäftigung handelte wie Fernsehen. Doch andererseits hatte ich lediglich Zugriff auf ihre nicht emotionalen Erinnerungen gehabt. Vielleicht hatte sie einfach ein anderes Jahrhundert gebraucht, um das Leben wirklich genießen zu können? Cammy erzählte auch, sie sei in Kairo »sehr bekannt«. Bei den Männern.
    Bestimmt hätte mein Vater sie am liebsten umgebracht. Ich jedenfalls hätte es liebend gern getan - innerhalb von zwei Jahren hatte sie auf eindrucksvolle Weise die Beziehung zu meinen Eltern, meiner Schwester, meinen Werbekunden sowie der amerikanischen Regierung demoliert. Offenbar hatte RaEm nur zwei Jahre in meinem Körper gebraucht, um ein ganzes Leben in Anstand zu tilgen. Nervös begutachtete ich meinen Körper. Ich hoffte nur, dass sie sich nichts eingefangen hatte .
    Ein paar Priester kamen herein und rissen mich in die Gegenwart zurück. Sie hatten sich neue Strophen für den DagonSong ausgedacht. Ich fragte mich, wie lange ich als übernatürliche Freundin Dagons und göttlicher Wetteinsatz dieses Gesinge noch ertragen musste. Es gab nicht einmal eine richtige Melodie, nur eine antiphonale Rezitation der vielen, vielen, vielen Charakterzüge dieses einen Meeresköniggottes.
    Dann kam die Abenddämmerung, und mit ihr kamen die Frauen der Stadt.
    Sie machten mir kleine Geschenke, angefangen von einem Blumenkränzchen oder einer perfekt geformten Muschel bis zu einem beschnitzten Kistchen, das in meine Hand passte, und einem Goldband, das einen Ring für meine Zehe bildete. Jede Frau hatte andere Sorgen, jede bat um Einsicht oder Weisheit, doch die meisten Fragen betrafen das Privatleben, und eine ganze Reihe davon hatte mit Sex zu tun.
    Sex.
    Ich biss die Zähne zusammen und versuchte verzweifelt, meine Gedanken von diesem Weg fern zu halten.
    Kein Cheftu . Wir waren inzwischen zwei Jahre verheiratet, doch wir hatten noch nie auch nur ansatzweise ein normales Leben geführt. Im Moment hätte ich mich schon damit begnügt, in derselben Epoche und Stadt zu leben wie er.
    Nachdem die Frauen abgezogen waren, starrte ich zu den Sternen hoch.
    Als ich in der Moderne wieder erwacht war, hatte mir vor allem Angst gemacht, dass es

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