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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hinein. Vielleicht konnte er sie dazu bringen, aus Chloes Welt zu erzählen, statt sich nur zu beklagen.
    Sein Magen protestierte gegen die Temperatur des Fisches, seine Zunge rebellierte gegen den Geschmack, doch immerhin hatte er etwas Essbares. Das Essen würde ihm helfen, nicht auszukühlen. Cheftu sorgte sich allmählich, dass ihm die Weichteile abfrieren könnten. RaEm kaute schweigend vor sich hin. »Schmeckt es wie Sushi?«, fragte er.
    »Weiß nicht«, gab sie zu. »Ich habe nur die emotionalen Erinnerungen dieser Frau, nur ihre Eindrücke aus Amerika. Sie hat mir ihren Körper ohne jedes Wissen überlassen, darum habe ich auch nicht gewagt, Ägypten zu verlassen.«
    »In Ägypten gibt es kein Sushi?«
    Sie lachte. »Nein. Abgesehen von den Leuchtreklamen und den Autos ist Ägypten fast noch wie zu Pharaos Zeiten. Der Nil wird immer noch von Feluken durchpflügt, auf den Straßen betteln immer noch die Kinder.« Er hörte ihre Ehrfurcht in der Dunkelheit. »Aber der Strom!«
    Cheftu bekam eine Gänsehaut und hackte eine zweite Scheibe Fisch ab. »Was für ein Strom?«
    »Die Elektrizität!«
    »E-leck-drizität? Wer leckt denn die Drizität?«
    RaEm starrte ihn an, obwohl in der Dunkelheit nur das Weiß ihrer Augen zu sehen war. »Du Idiot.« Ihr Tonfall war flach und abweisend.
    Cheftu rang seinen Zorn nieder. Wie konnte diese ahnungslose, vorwitzige kleine Hexe es wagen, sich über ihn lustig zu machen? »Dann«, erwiderte er kühl, »kläre mich bitte auf.«
    »Sie haben die Kraft des Blitzes eingefangen und nutzen sie in ihren Städten. Dort ist es auch mitten in der Nacht taghell.«
    Zum ersten Mal, soweit Cheftu sich erinnern konnte, klang RaEm aufgeregt, sogar begeistert. Ihr Ennui wich einem kindlichen Staunen.
    Es machte sie attraktiv, doch er wusste, dass dies nur ein unbedeutender Charakterzug dieser so facettenreichen Frau war, deren andere Eigenschaften er verabscheute. »Und wie ernten sie die E-leck-trizität? Du sagst, es sind Blitze?« Er nahm sich die nächste Scheibe Fisch. Fischflüssigkeit tropfte an seinen Armen herab, klebrig und schnell abkühlend. Wenigstens füllte sich allmählich sein Magen. Als Nächstes brauchten sie frisches Wasser.
    Und sie mussten weg von dieser Insel.
    »Der Benjamin Franklin hat mit einem Drachen den Schlüssel zum Blitz erschlossen.«
    »Einem Drachen? Einem feuerspeienden Drachen?«
    Sie klang ein bisschen verunsichert.
    »Natürlich! Du ahnungsloser Idiot, womit denn sonst?«
    »Wie hat er das angestellt?«
    »Also«, meinte sie vertraulich, »er hat den Drachen mit dem Schlüssel an eine Schnur gebunden.«
    »Ein Drachen, eine Schnur und ein Schlüssel?«
    »Um die Tür zum Blitz zu öffnen«, bestätigte sie. »Du musst wirklich besser zuhören.«
    Cheftu sah sie finster an.
    »Der Drachen ist in den Himmel geflogen und hat die Tür aufgeschlossen, und dadurch hat der Benjamin Franklin den Blitz fangen und sich zu Willen machen können. Er hat den Blitz gefärbt und in eine Schachtel gesperrt. Selbst die Hieroglyphen dieser Leute bestehen aus Blitzen.« Er hörte, wie sie etwas Fischfleisch von der Haut schabte. »Aber«, fuhr sie nach einem Schlucken fort, »bei ihm hört der Blitz nie auf.«
    Fetzen einer Unterhaltung aus dem neunzehnten Jahrhundert, ehe er mit seinem Bruder Jean-Jacques jene schicksalhafte Reise nach Ägypten angetreten hatte, fügten sich plötzlich zu einem Bild zusammen. RaEm sprach von Menschen, die er aus der jüngsten Geschichte kannte.
    Franklin und die amerikanische Revolution hatten auch die französischen Revolutionäre inspiriert.
    Doch wie passte ein angesehener und exzentrischer Staatsmann mit einem Blitzefänger zusammen? Und einem Schlüssel, mit dem man den Blitz aufschließen konnte?
    Cheftus Gehirn schaltete fieberhaft zwischen Englisch, Französisch und Altägyptisch hin und her, um RaEms Erklärungen zu verarbeiten. Möglicherweise hatte ihr Verstand die Reise durch die Zeit nicht ganz unbeschadet überstanden. »Er hört nicht auf?«, fragte er vollkommen fassungslos.
    »Er zuckt nicht nur kurz auf, sondern leuchtet die ganze Zeit. Er muss sehr mächtig sein, um den Blitz fangen zu können. Ich frage mich, wie er wohl ausgesehen hat, ob er ein guter Liebhaber war ...«
    Cheftu verdrehte die Augen - das war eindeutig die altbekannte RaEm. Franklin war gestorben, ehe Cheftu überhaupt geboren worden war. Trotzdem ergaben ihre Worte keinen Sinn. Offenbar war ihr nicht klar, dass Cheftu ebenfalls ein Zeitreisender

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