Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)
Freund.
»Also«, fuhr er fort, »legt Jocko den weiten Weg zur Küche zurück. Der Weg ist so weit, weil dieses Haus so groß ist … dieses Haus, von dem wir reden und das nur in der Einbildung existiert oder irgendwo anders, in San Francisco vielleicht, ein großes Haus. Jocko muss sich unbedingt auf der Stelle die Zehennägel schneiden. Wenn er es nicht tut, ist alles verloren ! Aber Jocko sieht Bananen. Und ehe er weiß, wie ihm geschieht, jongliert Jocko mit Bananen und tollt in der Küche in San Francisco herum. Er macht Luftsprünge oder schlägt Räder oder dreht Pirouetten oder tut sonst etwas ganz, ganz, ganz Dummes. Jocko vergisst das Messer, bis es zu spät ist, um seine Zehennägel zu schneiden, zu spät, die Zehennägel sind fort, Jocko hat mal wieder alles verpatzt, es ist aus und vorbei, es ist das Ende von ALLEM!«
Erika tätschelte seine Schulter mit den vielen Warzen. »Es ist alles in Ordnung. Es ist alles gut.«
»Verstehst du, was Jocko meint?«
»Ja, ich verstehe es«, log sie. »Aber ich würde gern erst eine Weile über das nachdenken, was du gesagt hast, einen Tag oder so, vielleicht auch eine Woche, bevor ich dir darauf antworte.«
Jocko nickte. »Das ist nur recht und billig. Das war eine ganze Menge, die Jocko bei dir abgeladen hat. Du bist eine gute Zuhörerin.«
»Und jetzt«, sagte sie, »lass uns auf das ganz Besondere zurückkommen, das du gern hättest, aber nicht verdient zu haben glaubst.«
Dieser reizende sehnsüchtige Ausdruck kehrte auf sein Gesicht zurück, und es war keinesfalls zu früh dafür. Seine riesigen gelben Augen funkelten vor Aufregung, als er sagte: »Ach du meine Güte, oh, wie sehr sich Jocko doch wünschte, er hätte einen lustigen Hut!«
»Was für einen lustigen Hut hast du dir denn vorgestellt?«
»Ganz egal, Hauptsache, er ist sehr lustig.«
»Heute Nacht werde ich keinen lustigen Hut für dich finden können.«
Er zuckte die Achseln. »Wann auch immer. Wenn überhaupt jemals. Jocko … er hat ihn ohnehin nicht verdient.«
»Ja, das sagtest du bereits. Aber ich verspreche dir, dass ich in ein oder zwei Tagen einen lustigen Hut für dich aufgetrieben haben werde.«
Ungeachtet der Schwierigkeiten, die es Erika bereiten könnte, einen sehr lustigen Hut zu finden, wurde sie schon im Voraus für ihre Mühe belohnt, als sie seine Freude sah, seine Tränen der Dankbarkeit.
»Du bist eine so gütige Dame. Jocko würde dir die Hand küssen, er will bloß nicht, dass du dich ekelst.«
»Du bist mein Freund«, sagte sie und hielt ihm die rechte Hand hin.
Die kurze Berührung seiner klebrigen Zähne und der losen Hautlappen um seinen Mund herum war noch widerwärtiger, als sie es sich vorgestellt hatte, doch Erika sagte lächelnd: »Du bekommst deinen Hut. Es gibt aber auch noch etwas, was du hoffentlich für mich tun kannst.«
»Jocko wird dir ein Buch vorlesen«, sagte Jocko. »Zwei Bücher auf einmal und eines davon auf dem Kopf.«
»Vorlesen kannst du mir später. Erst brauche ich deine Meinung in einer Angelegenheit.«
Der Troll packte mit den Händen seine Füße und schaukelte auf dem Boden herum. »Außer der Kanalisation, Ratten und Insekten gibt es nicht viel, womit Jocko sich auskennt, aber er kann es versuchen.«
»Du bist Jonathan Harker, oder du warst Harker, wie auch immer es sich verhalten mag. Daher weißt du, dass sich das Gefühlsleben der Neuen Rasse in Grenzen hält. Ihre gefühlsmäßigen Reaktionen beschränken sich auf Neid, Wut
und Hass, ausschließlich Gefühle, die sich gegen die eigene Person richten und nicht zu Hoffnung führen können, weil er sagt, Hoffnung führt zu dem Wunsch nach Freiheit, zu Ungehorsam und Rebellion.«
»Jocko ist jetzt anders. Jocko fühlt große gute Dinge mit großem Überschwang.«
»Ja, das ist mir bereits aufgefallen. Aber wie dem auch sei, ich besitze weder das Wissen noch den Überblick, um zu verstehen, was ein Genie wie Victor dazu geführt haben sollte, seine Neue Rasse so zu erschaffen. Nur ich, seine Frau, bin anders. Er gestattet mir Demut und Scham … was auf eine ganz eigentümliche Weise zu Hoffnung führt, und die Hoffnung zu Zärtlichkeit.«
Der Troll schaukelte weiterhin mit seinen Füßen in den Händen und wandte ihr den Kopf zu, als er sagte: »Du bist die Erste überhaupt, ob von der Alten Rasse oder von der Neuen, die nett zu Jocko ist.« Wieder liefen ihm Tränen über die Wangen.
»Ich erhoffe mir vieles«, sagte Erika. »Ich hoffe, dass ich von Tag zu Tag eine
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