Frankenstein oder Der moderne Prometheus
meiner Schöpfung vorausgingen. Du
beschriebst darin jeden Fortschritt, den dein Werk machte, und
dazwischen fanden sich wieder Notizen über deine Nachrichten von zu
Hause. Du erinnerst dich sicherlich dieser
Blätter. Hier sind sie. Alles, was darin steht, gibt Aufschluß über
meinen Ursprung. Die ganzen häßlichen, abstoßenden Details sind
anschaulich geschildert; du gibst die genaueste Beschreibung meiner
verhaßten, abscheulichen Persönlichkeit in einer Sprache, die
deinen Ekel nur zu deutlich zum Ausdruck bringt und mir unsägliches
Leid verursachte. Ich wurde förmlich krank, als ich das alles las.
»Verfluchter Tag, an dem ich ins Leben trat,« schrie ich in
rasender Verzweiflung. »Verflucht sei mein Schöpfer. Warum mußtest
du auch ein Ungeheuer schaffen, das so häßlich war, daß selbst du
voll Ekel dich von mir abwandtest? Gott bildete den Menschen in
seiner Güte nach seinem eigenen Bilde; aber du gabst mir Antlitz
und Gestalt, die nur ein erschreckendes Zerrbild deines Leibes
waren. Satan selbst hat seine Genossen, die mit ihm leben; aber ich
bin allein und verhaßt, wo man mich erblickt.«
Das waren die Gedanken, die mein Elend und meine Einsamkeit
gebaren. Aber wenn ich mir überlegte, wie freundlich und gut meine
Beschützer sein mußten, tröstete ich mich damit, daß sie sich an
meine körperliche Häßlichkeit gewöhnen würden, wenn sie erst
erkannt hätten, daß mein Inneres so ganz anders sei als mein
Äußeres. Waren sie imstande, einen um Mitleid und Freundschaft
Flehenden von ihrer Tür wegzujagen, weil er so mißgestaltet war?
Schließlich war es mir klar, daß ich nicht die Hoffnung aufgeben
dürfe, und bereitete mich auf eine Begegnung mit ihnen vor, die
über mein ganzes künftiges Geschick entscheiden mußte. Trotzdem
schob ich aber die Ausführung des Planes noch um mehrere Monate
hinaus, denn die Wichtigkeit, die ich der Sache beilegte, erfüllte
mich immer wieder mit einer gewissen zaghaften Scheu. Außerdem
merkte ich, daß meine Fertigkeit im Gebrauch der Sprache von Tag zu
Tag wuchs, und wollte aus diesem Umstände Nutzen ziehen, um ihnen
möglichst gut vorbereitet entgegentreten zu können.
Im Hause selbst hatte sich unterdessen manches verändert. Safies
Ankunft hatte nicht nur Glück über die Seelen der guten Menschen
ausgegossen, sondern es war auch ein gewisser Wohlstand eingekehrt. Felix und Agathe hatten jetzt mehr Zeit
sich dem Vergnügen hinzugeben, da ihre Arbeiten von Dienstboten
verrichtet wurden. Wenn sie auch vielleicht nicht reich waren, so
schienen sie wenigstens zufrieden und glücklich. Ihr Leben floß
friedlich und heiter dahin, während ich selbst eine Beute der
unruhigsten, widersprechendsten Gefühle wurde. Je mehr mein Wissen
sich erweiterte, desto klarer war es mir, daß ich ein Elender,
Ausgestoßener sei. Ich entsagte ja noch nicht jeder Hoffnung, das
ist wahr; aber sie entschwand immer wieder, wenn ich mein
Spiegelbild im Wasser oder meinen Schatten im Mondschein sah, eben
so rasch wie dieses Spiegelbild oder der Schatten selbst.
Ich tat mein Möglichstes, um dieser Angstgefühle Herr zu werden
und mir Mut einzuflößen für das Unternehmen, von dem mich nur
wenige Monate mehr trennten. Zuweilen gestattete ich sogar meinen
Gedanken sich ein Paradies vorzugaukeln, in dem ich mit lieblichen
Wesen, die mich verstanden, zusammenlebte; engelgleiche Gesichter
lächelten mir Trost und Zuversicht zu. Aber alles war nur Wahn;
keine Eva linderte mein Leid oder teilte meine Sorgen; ich war
allein. Ich erinnerte mich der Worte, mit denen Adam vor seinen
Schöpfer trat. Aber wer war der meine? Er hatte sich von mir
gewandt und voll tiefster Erbitterung hatte ich nur Flüche für
ihn.
So verging der Herbst. Erstaunt und betrübt sah ich die Blätter
welken und fallen und erkannte, daß die Erde wieder dasselbe
traurige, starre Aussehen annahm wie damals, als ich zuerst die
Wälder und den lieben Mond gesehen.
Die Kälte fürchtete ich nicht, denn merkwürdigerweise war ich
gegen diese wesentlich unempfindlicher als gegen die Hitze. Als ich
keine Gelegenheit mehr hatte, die Blumen auf den Feldern zu
betrachten und dem Gesang der Vögel zuzuhören, wandte ich meinen
Freunden wieder mehr Aufmerksamkeit zu. Das Scheiden der schönen
Jahreszeit tat ihrem Glücke keinen Abbruch. Sie waren alle einander
herzlich zugetan und freuten sich ihres Lebens, unbekümmert um das,
was draußen in der Natur vor sich ging. Je
öfter ich sie sah, desto ungeduldiger nahm
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