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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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und mitleidig. Laßt also der Hoffnung
Raum, daß diese Freunde, wenn sie wirklich gut und edel sind, Euch
nicht verstoßen werden.«
    »Sie sind gut, sie sind die besten Geschöpfe, die ich kenne;
aber unglücklicherweise haben sie ein Vorurteil gegen mich. Ich
habe bis jetzt ein sehr harmloses Leben geführt und bin auch
gewissermaßen wohltätig gewesen. Aber ein Schleier liegt vor ihren
Augen; denn anstatt in mir einen treuen, aufrichtigen Freund zu
sehen, halten sie mich für ein verabscheuungswürdiges Ungetüm.«
    »Das ist allerdings traurig. Aber ist es Euch, wenn Ihr wirklich
so unschuldig seid, nicht möglich, sie von der Wahrheit zu
überzeugen?«
    »Das eben möchte ich, und wenn ich daran denke, ergreift mich
eine entsetzliche Angst. Ich liebe diese Menschen zärtlich, ich bin
unerkannt schon Monate lang mit ihnen in freundschaftlichem Verkehr
gestanden; aber sie meinen, ich wolle ihnen schaden, und diese
Meinung will ich ihnen nehmen.«
    »Wo wohnen denn diese Leute?«
    »Nicht weit von hier.«
    Der Alte schwieg einen Moment, dann sagte er: »Wenn Ihr mir
rückhaltlos Eure ganze Geschichte erzählen wollt, kann ich Euch
vielleicht in diesem Bestreben helfen. Ich bin blind und erkenne
Euer Gesicht nicht, aber es liegt in Eurer Rede etwas, das mir
sagt, Ihr seid ein guter Mensch. Ich bin arm und lebe hier in der
Verbannung; aber es macht mir Freude, einem Anderen in jeder Weise
dienstbar zu sein.«
    »Edler Mann, wie danke ich Euch! Ich nehme
Euer hochherziges Anerbieten an. Ihr erhebt mich mit Eurer Güte aus
dem Staube und ich hoffe, daß es Euch gelingen wird, mich so
wirksam zu schützen, daß ich nicht mehr aus der Gesellschaft Eurer
Mitmenschen vertrieben werde.«
    »Davor bewahre Euch der Himmel! Und wenn Ihr ein Verbrecher
wäret, denn das ist das einzige, was Euch verzweifeln lassen kann.
Auch ich bin unglücklich; ich bin, vollkommen unschuldig, mit
meiner ganzen Familie aus der Heimat verbannt worden. Ihr werdet
dann begreifen, daß ich Eurem Unglück nicht gefühllos
gegenüberstehe.«
    »Wie kann ich Euch danken, mein einziger, liebster Wohltäter?
Von Euren Lippen habe ich das erstemal Worte der Güte gehört, die
mir galten. Das werde ich Euch nimmer vergessen. Und die Freunde,
denen ich ja nun bald gegenübertreten werde, hoffe ich, werden mir
auch barmherzig sein.«
    »Darf ich den Namen und den Wohnort dieser Freunde wissen?«
    »Ich schwieg. Das war der Augenblick, der mir das Glück auf
immer bringen oder rauben mußte. Ich rang nach Worten, um ihm alles
einzugestehen, aber ich fand nicht die Kraft. Ich sank auf einen
Stuhl und stöhnte laut. Draußen hörte ich die Schritte der jungen
Leute. Zeit war keine mehr zu verlieren. Ich ergriff die Hand des
Greises und schrie: »Nun ist es Zeit, daß ich es sage. Helft mir
und schützt mich! Ihr und die Euren sind die Freunde, die ich
suche. Verlaßt mich nicht in meiner Not!«
    »Großer Gott!« rief der alte Mann. »Wer seid Ihr?«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Zimmers und Safie,
Felix und Agathe kamen herein. Verstört und entsetzt starrten sie
mich an. Agathe sank um und Safie rannte aus dem Zimmer, unfähig,
der Ohnmächtigen Hülfe zu leisten. Felix stürzte auf mich zu und
riß mich mit übermenschlicher Kraft von seinem Vater weg, an dessen
Kniee ich mich geklammert hatte. Im Übermaß der Wut warf er mich zu
Boden und schlug wie ein Rasender mit einem Stock auf mich ein. Ich
hätte ihm ja leicht die Glieder
auseinanderreißen können, wie es der Löwe mit der Gazelle tut. Aber
das unendliche Leid nahm mir die Kraft. Ich sah, wie er den Arm zu
einem neuen Schlag erhob, da sprang ich auf und rannte aus dem
Hause. In der allgemeinen Verwirrung vergaß man mich zu
verfolgen.

Kapitel 16
     
    Verfluchter, doppelt verfluchter Schöpfer! Warum mußte ich auch
leben? Warum erlosch damals nicht der Funke, den du leichtfertig
und frevelhaft entfachtest? Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich
nicht verzweifelte, sondern daß die Gefühle der Wut und der
Rachsucht überwogen. Ich hätte am liebsten das Haus und seine
Inwohner vernichtet und mich an deren Todesangst und Schmerzgeheul
ergötzt.
    Als es Nacht wurde verließ ich mein Asyl und wanderte in den
Wald. Und nun, da ich die Entdeckung nicht mehr fürchtete, machte
ich meinem Weh in lautem Brüllen Luft. Ich war wie ein wildes Tier,
das die Stäbe seines Käfigs zerbrochen hat. Ich rannte wie ein
Stück Wild durch den Wald und zerstörte alles, was mir in den Weg
kam. Es

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