Frankenstein oder Der moderne Prometheus
kam, desto
heißer erwachte die Sehnsucht nach furchtbarer Rache. Schnee und
Eis hielten meinen Schritt nicht auf. Im großen und ganzen war es
wohl nur Zufall, daß ich mich zurechtfand.
Mein Wunsch, dir gegenüberzutreten, ward immer heftiger und
beschleunigte meine Schritte, und jedes Hindernis, das sich mir in
den Weg stellte, gab meiner Wut und meinem Zorn nur noch mehr
Nahrung. Und ein Abenteuer, das ich erlebte, als ich die Schweizer
Grenze erreichte – es war schon wieder warm geworden und die Erde
hatte ihr grünes Kleid angelegt – war besonders geeignet, meine
Bitterkeit und meine Wut aufs höchste zu steigern.
Wie ich schon erwähnte, pflegte ich nur des Nachts zu wandern
und des Tages zu ruhen, um ungesehen zu bleiben. Eines Morgens aber
entschloß ich mich doch, meinen Weg weiter fortzusetzen, da er, wie
ich bemerkte, durch dichtes Holz führte, so daß ich das Antlitz des
Tages nicht zu scheuen hatte. Es war ein herrlicher Frühlingstag
und selbst ich empfand wohltuend den warmen Sonnenschein und die
milde Luft. Und ich fühlte sogar Freude und Behagen, die ich in mir
vollkommen gestorben wähnte. Halb überrascht davon, gab ich mich
ihrem Zauber hin und wagte es, meine Einsamkeit und Häßlichkeit
vergessend, glücklich zu sein. Lindernde Tränen rannen mir die
Wangen herab und ich erhob dankend meinen Blick zu der lachenden
Sonne, die das Wunder in mir gewirkt hatte.
Ich wand mich vorsichtig auf den Waldwegen dahin, bis ich an
eine Schlucht kam, durch die ein wilder Bach dahinbrauste. Die
Uferbäume hingen ihre sprossenden Zweige in die klare, frische
Flut. Ich blieb einen Augenblick stehen, um mir zu überlegen, wie
ich weiter käme als ich Stimmen vernahm. Rasch verbarg ich mich
unter einem dichten Baum. Kaum war das geschehen, als ein junges
Mädchen in vollem Laufe dahereilte. Sie lachte laut und herzlich,
als spotte sie eines Verfolgers. Sie lief dann am Ufer entlang.
Plötzlich glitt sie aus und stürzte in die Fluten. Ich sprang aus
meinem Versteck ihr nach und brachte sie mit großer Mühe aufs
Trockene. Sie war bewußtlos und ich bemühte mich, sie wieder ins
Leben zurückzurufen, als sich ein Landmann näherte, wahrscheinlich
der, vor dem sie geflohen war. Kaum hatte er mich erblickt, so
drang er schon auf mich ein, riß das Mädchen aus meinen Armen und zog sich eilig mir ihr tiefer
ins Gehölz zurück. Ich rannte ihm nach, warum weiß ich heute noch
nicht. Als der Mann bemerkte, daß ich ihm folgte, riß er seine
Flinte von der Schulter, zielte auf mich und schoß. Ich sank zu
Boden und sah meinen Gegner gerade noch im dichten Walde
verschwinden.
Das also war der Lohn für das Gute, was ich getan! Ich hatte
einen Menschen vor dem sicheren Tode gerettet; dafür hatte ein
Geschoß mein Fleisch durchbohrt und einen Knochen zerschmettert.
Die Schmerzen, die meine Wunde verursachte, ließen mich rasch die
frohen Gefühle vergessen, die ich noch kurz vorher gehegt, und in
mir erwachte wieder eine höllische Wut, die meine Zähne knirschend
aufeinanderpreßte. Gepeinigt von gräßlichen Schmerzen schwor ich
dem ganzen verhaßten Geschlecht der Menschen ewige Rache.
Einige Wochen führte ich ein elendes Dasein in den Wäldern,
bemüht, meine Wunde zu kurieren. Die Kugel war in die Schulter
eingedrungen und ich wußte nicht, saß sie da noch fest oder war sie
hindurchgegangen. Jedenfalls hatte ich keine Möglichkeit sie zu
entfernen. Am meisten schmerzte es mich, daß es Undank und
Ungerechtigkeit waren, denen ich diese Leiden zu verdanken hatte.
Mein Wunsch nach Rache, nach furchtbarer, tödlicher Rache wuchs von
Tag zu Tag. Umsonst wollte ich diese Kränkungen und Qualen nicht
erduldet haben.
Es dauerte einige Wochen, bis meine Wunde geheilt war; dann
setzte ich meine Wanderung fort. Auch die liebliche Sonne und das
milde Wehen des Frühlingswindes waren nicht mehr imstande, die Glut
meiner Rachegefühle zu besänftigen. Alles Liebliche schien mir wie
ein Hohn, der mich mit Verzweiflung erfüllte und mich nur noch mehr
fühlen ließ, daß ich nicht zur Freude auf dieser Erde war.
Allmählich näherte ich mich meinem ersehnten Ziele. Nach etwa
zwei Monaten hatte ich Genf erreicht.
Es war Abend, als ich ankam, und ich suchte mir sogleich ein
Versteck, in dem ich darüber nachdachte, wie ich mich dir am besten
bemerkbar machen könnte. Ich litt Hunger und Durst und war viel zu müde und elend, um mich an dem schönen
Abend und der Pracht des Sonnenunterganges zu erfreuen.
Ein
Weitere Kostenlose Bücher