Frankenstein oder Der moderne Prometheus
in
mich zu dringen. Ergreift wieder Besitz von Eurem Eigentum und laßt
uns von diesem Platze fliehen.«
Felix zitterte an allen Gliedern, während er so sprach. Er und
sein Begleiter begaben sich in das Innere des Hauses. Ganz kurze
Zeit blieben sie darin und gingen dann zusammen fort. Seitdem habe
ich niemand mehr von der Familie de Lacey gesehen.
Den Rest des Tages verbrachte ich in meinem Schuppen und gab
mich der tiefsten Verzweiflung und dumpfem Schmerze
hin. Meine Beschützer waren fort und
hatten so das einzige Band zerrissen, das mich an die Welt
fesselte. Es war das erste Mal, daß Gefühle der Rachsucht und des
Hasses in meiner Brust Raum fanden, und ich gab mir keine Mühe sie
zu unterdrücken. Ich ließ mich von dem Strome tragen, der mich zu
Verbrechen und Mord hinführte. Der Gedanke an meine Freunde, an die
milde Stimme des Greises, die schönen Augen Agathes und an den
Liebreiz Safies verdrängte immer wieder auf kurze Zeit meine
bösartigen Gefühle. Aber wenn ich mir überlegte, daß sie mich
vertrieben, mich geschlagen hatten, dann kehrte die Wut wieder,
eine maßlose Wut; und da kein menschliches Wesen da war, an dem ich
meine Raserei hätte austoben können; stürzte ich mich auf
Unbelebtes. Als es Nacht wurde schleppte ich alles Brennbare,
dessen ich habhaft werden konnte, in der Nähe des Hauses zusammen
und zerstörte im Garten jede Spur der pflegenden Menschenhand. Dann
wartete ich, bis der Mond unterging, um mein Werk zu vollenden.
Ein frischer Wind kam aus dem nächtlichen Walde und zerstreute
die Wolken, die am Himmel hingen. Ich ergriff einen trockenen Ast,
zündete ihn an und tanzte dann wie ein Toller um das dem Verderben
geweihte Haus. Immer wieder blickte ich nach dem westlichen
Horizont, hinter dem der Mond schon zum Teil versunken war. Und als
der glutrote Ball gänzlich untergetaucht war, warf ich mit lautem
Schrei den Brand in die aufgehäufte Streu. Prasselnd schlugen die
Flammen auf, umfluteten bald das ganze Gebäude und leckten,
gepeitscht vom rauschenden Winde, mit ihren spitzen, zerstörenden
Zungen an den Wänden hinauf.
Ich wartete nur so lange, bis ich erkannt hatte, daß keine Macht
der Erde auch nur das Geringste noch zu retten vermochte, und
verkroch mich dann in den Tiefen des Waldes.
Die weite Welt lag nun wieder vor mir, aber wohin sollte ich
meine Schritte lenken? Jedenfalls wollte ich weit, weit fort von
der Stätte meines Mißgeschickes, denn für mich, den Ausgestoßenen
und Gehaßten, war es ja gleich, welches Land mich
aufnahm. Schließlich aber dachte ich an
dich. Ich wußte aus deinen Papieren, daß du mein Erzeuger, mein
Schöpfer seist, und wem konnte ich mich wohl mit mehr Vertrauen
nähern als dem, der mir das Leben gegeben? Der Unterricht, den
Felix an Safie erteilt hatte, hatte sich auch auf Geographie
erstreckt, und so hatte ich erfahren, welche Lage die Länder der
Erde zu einander einnahmen. Ich hatte in deinen Aufzeichnungen
gelesen, daß deine Heimatstadt Genf sei, und beschloß, zunächst
dorthin die Wanderung anzutreten.
Es war sehr schwer für mich, mich zurechtzufinden. Ich kannte
weder die Namen der Städte und Ortschaften, die ich zu passieren
hatte, und durfte auch nicht damit rechnen, von einem menschlichen
Wesen unterwegs Auskunft zu erhalten. Aber ich wußte ja, daß ich
immer nach Südwesten zu gehen hätte, und die Sonne war meine
Führerin. Du warst der Einzige, von dem ich noch Hülfe erwarten
konnte, wenn ich auch gegen dich nichts empfand als den bittersten
Haß. Herzloser! Grausamer! Du hast mich mit Gefühlen und
Empfindungen ausgestattet und dann warfst du mich auf die Straße,
jedermann zum Spott und Entsetzen. Von dir allein hatte ich Mitleid
und Hülfe zu erwarten und du allein konntest mir das geben, was ich
von jedem anderen Wesen in Menschengestalt umsonst gefordert
hätte.
Meine Reise war lang und Schweres hatte ich zu erdulden. Die
Jahreszeit war schon weit fortgeschritten, als ich dem Erdenfleck,
wo ich so lange gehaust, den Rücken wandte. Ich wanderte nur zur
Nachtzeit, um keinem Menschen zu begegnen. Die Natur hatte sich
schon zur Ruhe begeben und die Sonne hatte keine Kraft mehr. Regen
und Schnee fielen nieder und die Bäche waren zu Eis erstarrt. Die
Erde war hart, kalt und nackt und bot nichts, um mein müdes Haupt
hinzulegen. O Erde, wie oft habe ich dir geflucht und dem, der mich
schuf! Meine natürliche Gutmütigkeit war dahin und hatte sich in
Gift und Galle verwandelt. Je näher ich deiner Heimat
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