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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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blickte. »Du
hast uns verlassen, um dein Glück zu suchen, aber es scheint kein
Glücksstern über dir zu leuchten. Und der arme Clerval!«
    Schwach, wie ich noch war, wurde ich vom Schmerz überwältigt,
als ich diesen Namen hörte, und aus meinen Augen floß ein heißer
Tränenstrom.
    »Es ist leider wahr, lieber Vater,« entgegnete ich, »daß ein
Unstern über mir schwebt, und ich scheine für ein ganz besonderes
Schicksal bestimmt zu sein, sonst wäre ich am Sarge Henrys
sicherlich gestorben.«
    Allzulange war es uns nicht vergönnt beisammen zu bleiben, denn
meine noch sehr schwache Gesundheit gebot äußerste Vorsicht. Herr
Kirwin trat ein und riet mir, mich nicht allzusehr anzustrengen.
Aber mein Vater war mein guter Engel gewesen und seiner Anwesenheit
hatte ich meine Genesung zu verdanken.
    Wenn auch meine Krankheit gewichen war, so konnte ich doch einer
tiefen Melancholie nicht Herr werden. Ich sah immer noch Clerval
vor mir, tot und bleich. Oftmals erregte mich die Erinnerung so
stark, daß meine Freunde einen Rückfall befürchteten. Warum auch
sorgten sie so für mein zerstörtes, elendes Dasein? Sicherlich nur
deswegen, daß ich meinem Schicksal nicht entgehen konnte, das sich
nun seiner Erfüllung näherte. Bald, sehr bald wird der Tod kommen
und mich von der Qual befreien, die mich zu Boden drückt. Damals
war die Aussicht zu sterben sehr gering, und oft sehnte ich mich
nach einem elementaren Ereignis, das mich und meinen Feind zu Staub
zermalmte.
    Unterdessen kam der Tag der Verhandlung näher. Ich
war schon drei Monate im Gefängnis, und
wenn ich mich auch vor Schwäche kaum auf den Beinen halten konnte,
so mußte ich doch eine Reise von nahezu hundert Meilen unternehmen,
um die Hauptstadt der Grafschaft zu erreichen, wo der Gerichtshof
tagte. Herr Kirwin hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben,
Entlastungszeugen für mich beizubringen und mir einen tüchtigen
Verteidiger zu besorgen. Allerdings blieb es mir erspart, als
Angeklagter vor dem Gericht zu erscheinen, das über Leben und Tod
entschied. Die vorsitzenden Richter hatten die Anklage fallen
lassen, da erwiesen war, daß ich zu der Zeit, als der Leichnam
meines Freundes gefunden ward, mich auf einer der Orkneyinseln
aufhielt. Vierzehn Tage später war ich frei.
    Mein Vater war überglücklich, daß ich den Qualen eines Verhörs
entgangen war, daß ich wieder frische Luft atmen und bald in mein
Heimatland zurückkehren durfte. Ich konnte mich nicht in gleichem
Maße freuen, denn in meinem Gemütszustande war mir das Leben
verhaßt, ob mich die Mauern eines Gefängnisses oder eines Palastes
umgaben. Mein Dasein war auf ewig vergiftet; und wenn mir auch die
Sonne leuchtete, wie all den frohen, glücklichen Menschen um mich
her, so umgab mich doch ein undurchdringliches Dunkel, durch das
mir zwei Augen entgegenstarrten. Einmal waren es Henrys
ausdrucksvolle Augen mit den langen, dunklen Wimpern, die im Tode
gebrochen waren, ein andermal meinte ich die wässerigen Augen
meines bösen Dämons zu erkennen.
    Mein Vater suchte mich auf jede Weise zu zerstreuen. Er erzählte
mir von Genf, das ich nun bald wiedersehen sollte, von Elisabeth
und von Ernst. Aber meine einzige Antwort waren tiefe, bange
Seufzer. Zuweilen empfand ich wieder etwas wie Sehnsucht nach Glück
und dachte in schmerzlicher Freude an meine Geliebte; oder ich
verlangte in furchtbarem Heimweh den blauen See und den reißenden
Rhon wiederzusehen, die mir von meiner Kinderzeit her lieb und
vertraut waren. Meistens aber befand ich mich in einem Zustande
starrer Gleichgültigkeit, der nur selten mit Ausbrüchen wilder
Verzweiflung abwechselte. Oftmals faßte
ich in solchen Augenblicken den Entschluß, meinem verhaßten Dasein
ein Ende zu machen, und es bedurfte fortgesetzter Überwachung, um
mich von dem letzten Schritt abzuhalten.
    Nur das Bewußtsein einer Pflicht hielt mich schließlich davon
ab, in meinem Egoismus den Qualen mich zu entziehen. Ich mußte
unverweilt nach Genf zurückkehren, um über das Leben derer zu
wachen, die mir lieber waren als alles auf der Welt. Ich mußte dem
Mörder auflauern, denn ich wollte unbedingt das häßliche Gebilde,
dem ich eine noch häßlichere Seele eingehaucht, zerstören, wenn es
mir gelang, seinen Aufenthalt ausfindig zu machen oder wenn es
wagte, mir noch einmal gegenüber zu treten. Mein Vater allerdings
wünschte mit der Abreise noch zu warten, weil er fürchtete, daß ich
den Anstrengungen der Reise nicht gewachsen sei. Denn ich

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