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Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Titel: Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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allen vieren kriecht er über die glitschigen Felsen.
    Die Luft fühlt sich noch kälter an als das Wasser, aber das liegt am Wind und am Regen. Hastig windet er sich aus dem Neopren heraus, trocknet sich ab und steigt in seine Kleider. Dann stopft er den Gummianzug in den Gummibeutel und geht los.
    Aber nicht nach Hause.
    Wer immer hinter dem Anschlag steckt, er wird es wieder versuchen, muss es wieder versuchen, und Franks einziger Vorteil besteht darin, dass Mouse junior und sein kleiner Freund davongelaufen sind, um zu verkünden: »Frankie Machine schläft bei den Fischen.«
    Gut, das verschafft mir eine kleine Atempause. Ein paar Stunden, wenn es hochkommt, denn wenn Vince Venas Vollzugsmeldung ausbleibt, werden sie sich Gedanken machen. Und haben sie auch nur eine Spur von Grips – du musst endlich aufhören, sie zu unterschätzen –, vermuten sie das Schlimmste.
    Doch ein kleines Zeitfenster bleibt ihm, um sich aus der Schusslinie zu bringen.
    Jeder umsichtige Profikiller hat irgendwo ein Schlupfloch, und umsichtig ist Frank auf jeden Fall. Sein Schlupfloch ist eine unbenutzte Wohnung in der Narragansett Street, einkleines Einzimmerapartment in der zweiten Etage, nur zehn Minuten Fußweg entfernt. Es hat einen separaten Eingang, zu erreichen über die Hintertreppe. Gekauft hat er es vor zwanzig Jahren, als Wohnungen noch billig waren, hat es immer mal angeboten, aber nie vermietet. Alle paar Monate hat er dort nach dem Rechten gesehen und dann jedesmal so lange gewartet, bis er sicher war, dass ihm keiner gefolgt war.
    Niemand weiß was von diesem Apartment – nicht Patty, nicht Donna, nicht Jill.
    Nicht mal Mike Pella.
    Als erstes braucht er eine warme Dusche.
    Lange bleibt er unter dem Strahl stehen, anfangs schlotternd, bis ihm wieder warm ist. Das dauert eine Weile, weil er bis auf die Knochen durchgefroren ist. Danach rubbelt er sich trocken, zieht einen dicken Frotteemantel über und geht in die Wohn-Schlaf-Küche, wo er den unteren Schub einer Kommode aufzieht, einen warmen Trainingsanzug rausholt und anzieht. Dann geht er an den Schrank und öffnet den kleinen Safe, der hinter Mänteln und Jacken am Fußboden festgeschraubt ist.
    Im Safe steckt sein »Fallschirmspringerpäckchen«: ein Führerschein aus Arizona, eine American Express Card Gold und eine Visa Card Gold, alles auf den Namen Jerry Sabellico. Einmal im Monat etwa tätigt er einen Telefonkauf per Kreditkarte, um sie am Laufen zu halten, und zahlt die Rechungen mit Schecks von seinem Sabellico-Konto. Dann hat er da noch zehntausend Dollar in gebrauchten Scheinen.
    Und eine neue, saubere 38er Smith & Wesson mit reichlich Munition.
    Er greift nach oben und öffnet die Deckenklappe, die zum flachen Stauraum unter dem Dach führt. Dort tastet er herum und findet auch gleich, was er sucht, den Kasten, in demeine Beretta LS-2 steckt, eine zwölfkalibrige Pumpgun mit abgesägtem Lauf, vierzehn Zoll lang.
    Jetzt brauch ich nur noch Schlaf, denkt er.
    Ein geschwächter Körper und ein von Müdigkeit benebeltes Hirn, das ist der sichere Tod. Du musst klar denken und klar handeln, und deshalb musst du erst mal ins Bett. Es ist eine Frage des Willens, die Paranoia abzuschalten, rational zu denken und dich darauf zu verlassen, dass du hier sicher bist. Ein Amateur würde die ganze Nacht wachliegen, bei jedem Laut hochschrecken und sogar Geräusche hören, die gar nicht vorhanden sind.
    Er hat genug Typen gejagt, um zu wissen, dass der eigene Kopf ihr schlimmster Feind ist. Sie fangen an, Dinge zu sehen, die nicht da sind, dann, schlimmer noch, Dinge zu übersehen, die wirklich da sind. Sie ängstigen sich, quälen sich, zehren sich innerlich auf, bis sie einem fast dankbar sind, dass man sie aufgespürt hat. Bis dahin sind sie in Gedanken schon so oft gestorben, dass der wirkliche Tod wie eine Erlösung kommt.
    Also geht er ins Bett, macht die Augen zu und schläft nach etwa zehn Sekunden ein.
    Das ist gar nicht schwer, so erschöpft, wie er ist.
    Er schläft elf volle Stunden und wacht ausgeruht auf, nur dass seine Arme von der langen Schwimmpartie noch ein bisschen weh tun. Er kocht sich Kaffee – billiges Zeug aus dem Automaten – und frühstückt ein paar Müsli-Riegel, die er im Schrank gehortet hat wie ein Mormone.
    Das Apartment hat ein kleines Fenster, das nach Westen geht und gegen das der Regen klatscht. Frank setzt sich an den billigen Tisch und versucht, Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
    Wer will mich umbringen?
    Mike, wo bist du?

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