Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
…«
… bis wir uns begegneten, ergänzt Frank im Stillen.
»… bis wir uns begegneten«, sagt Vince und lacht. »Komm rein, Frank, bleib nicht im Regen stehen. Beweis mir, dass alles falsch ist, was sie über dich sagen.«
Er geht zurück in die Kabine und lässt die Tür offen.
Frank tritt ein, die Tür geht zu, und er hat die Schlinge um den Hals, die ihm schon die Kehle zuschnürt, bevor er die Hände hochkriegt. Was eine gute Sache ist, weil man instinktiv versucht, unter den Draht zu greifen, und das sollte man auf keinen Fall tun – es führt nur dazu, dass man sich außer der Luftröhre auch noch die Finger zerschneidet.
Der Kerl ist ein Hüne. Frank spürt die Größe und das Gewicht des Mannes und weiß, dass er ihm kräftemäßig nicht gewachsen ist. Also greift er nach hinten und stößt ihm die Finger in die Augen, was den Kerl nicht dazu bringt, loszulassen, aber nach Luft zu schnappen. Und Frank nutzt die Schrecksekunde, um sich zu ducken, ihn beim Handgelenk zu packen und mit einem Hüftwurf zu Fall zu bringen. Der Möchtegern-Würger kracht auf den kleinen Esstisch, Frank rollt sich ab und sucht Deckung unter dem Tisch, während Vince seine Pistole greift und sich bückt, um ihn zu erwischen.
Noch im Abrollen hat Frank seinen Revolver gezogen. Er sieht nur die Beine von Vince, also zielt er ein Stück höher und drückt zweimal ab. Die Beine taumeln rückwärts und sacken an der Bordwand zusammen. » Oh fuck! Oh fuck! «, schreit Vince.
Frank kneift die Augen zusammen und ballert dreimal von unten durch die Tischplatte. Sperrholzsplitter fliegen ihm um die Ohren. Dann ist alles still. Frank macht die Augen wieder auf und sieht Blut tropfen.
Er bleibt unter dem Tisch, für den Fall, dass es noch einen Dritten gibt.
Draußen auf dem Dock hört er Getrappel, da sind zwei,die schleunigst das Weite suchen, und er weiß, es handelt sich um Mouse junior und Travis.
Absolut.
Frank wartet dreißig Sekunden ab, bevor er unter dem Tisch vorgekrochen kommt.
Der Würger ist tot, hat zwei Einschüsse und eine Menge Holzsplitter im Gesicht. Ein Klotz von einem Mann – bringt einiges auf die Waage.
Frank sieht sich an, was von dem Gesicht noch übrig ist. Von irgendwoher kennt er den Kerl, kann sich aber nicht erinnern, von wo.
Vince atmet noch, sitzt mit dem Rücken an der Bordwand, seine Hände versuchen, die Därme im Bauch zu halten.
Frank hockt sich neben ihn. »Vince, wer ist dein Auftraggeber?«
Vinces Augen starren ins Irgendwo. Frank kennt diesen Blick – Vince wird es nicht schaffen. Ob er schon das helle Licht sieht, ob er schon ausgecheckt ist aus diesem Motel, weiß man nicht. Und welche Klänge er auch immer hören mag, es ist nicht Franks Stimme.
Trotzdem versucht es Frank noch einmal: »Vince, wer ist dein Auftraggeber?«
Nichts.
Frank setzt ihm die Pistole aufs Herz und drückt ab. Dann versucht er, wieder zu Atem zu kommen, und merkt erschrocken, wie sehr sein eigenes Herz hämmert. Er atmet langsam und tief durch, um die Herzfrequenz zu mindern.
Das dauert eine Minute.
Du wirst nicht jünger, denkt er. Und um ein Haar wärst du auch nicht älter geworden. Und hast es auch nicht verdient, so dumm und unvorsichtig, wie du dich anstellst.
Lässt dich von einem Fatzke wie Mouse junior reinreiten.
Denn genau das hat Mouse junior getan. Oder wienennen die Kids das heutzutage? Er hat dich »gelinkt«. Hat dein Ego gekitzelt und dich gelinkt.
Frank steht auf und nimmt den Toten auf dem Tisch gründlich in Augenschein.
Die Würgschlinge aus Draht hält er noch in den Händen. Alte Schule, denkt Frank, eine Garotte zu benutzen. Wahrscheinlich wollten sie den Schusslärm vermeiden. Aber dafür verwendet man Schalldämpfer. Außer, man will, dass die Garotte ihr Werk langsam und schmerzhaft verrichtet, in welchem Fall dieser Hinterhalt auf ihn persönlich gemünzt war.
Aber wer hätte eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen?
Mach dir keine Illusionen, sagt er sich, die Liste ist lang.
Frank startet den Motor. Dann geht er raus und löst die Leinen. Zum Glück sind die beiden Nachbarboote unbenutzt, winterfest gemacht. Er kehrt in die Kajüte zurück, lässt die Maschinen warmlaufen und manövriert das Boot vom Steg weg.
Er steuert es in den Kanal und hinaus auf die offene See.
09
Es ist keine schöne Nacht für eine Bootsfahrt.
Zu viel Dünung, zu viele Brecher, und der Sturm treibt das Boot immer wieder auf die Küste zu.
Trotzdem wagt er sich zehn Meilen weit hinaus
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