Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
wenn Nixon hier residierte. Wahrscheinlich hat der Secret Service Angst vor surfenden Attentätern, dachte Frank, obwohl es ein irrer Schuss gewesen wäre, vom Strand da unten bis hinauf zum Präsidentenrasen.
Wenn er südwärts blickte, konnte er die Zinnen des Sur in der Sonne glitzern sehen, und er fragte sich, was wohl Joey the Clown und Tony Pro jetzt trieben, während alle anderen zu Besuch beim Präsidenten weilten. Ob sie sich ärgerten? Ob sie sich ausgeschlossen fühlten?
Das war der Sommer ’72, der Sommer Richard Nixons.
Und im Winter ’75 war alles im Eimer.
25
Nicky Locicero starb im Herbst ’74. Sein Begräbnis war ergreifend und fand im engsten Familienkreis statt – von den Jungs ließ sich niemand blicken, sie wollten dem FBI keine Munition liefern.
Das FBI hatte die Familie in L. A. voll unter Beschuss. Es schien jeden ihrer Schritte vorherzusehen, die Ankläger wussten über alles Bescheid, und die Xerox-Kopierer brachen fast zusammen, weil sie so viele Klageschriften auswerfen mussten.
Und an den Klagepunkten war nicht zu rütteln. Selbst Sherm Simon riet den Jungs, dem Gericht entgegenzukommen, was sie auch taten. Peter Martini musste für vier Jahre einrücken, Jimmy Regace, der gerade zum Boss ernannt worden war, für zwei. Er bestimmte den alten Paul Drina zu seinem Stellvertreter.
Bap, der geglaubt hatte, an der Reihe zu sein, war stocksauer.
»Paul ist ein Anwalt, der sich nie die Hände nass gemacht hat«, sagte Bap zu Frank. »Was hat er je geleistet, außer Jacks Bruder zu sein? Und sie stellen ihn über mich ? Nach allem, was ich für sie getan habe?«
Das war Baps ständige Leier damals in den Siebzigern, sein Nach-allem-was-ich-für-sie-getan-habe-Mantra. Dass er recht hatte, machte sein Mantra jedoch nicht weniger nervtötend und sinnlos. Tatsache war, dass Frank es nicht mehr hören konnte.
Jeder kommt mal an den Punkt, dachte er sich, wo die gefürchtete Midlife Crisis einsetzt und man sich mit dem Gedanken befreunden muss, dass man nicht mehr bekommen wird, als man schon hat, und das Beste ist, man findet sich damit ab. Die meisten Jungs kriegten das irgendwie hin, nicht aber Bap. Ewig jammerte er, sie hätten ihn aufs Kreuz gelegt, dieser und jener hätte ihn übers Ohr gehauen, es gäbe welche unter den Jungs, die wären »totes Holz«, und er hätte es satt, sie durchzufüttern, L. A. würde ihm seinen gerechten Anteil am Kuchen vorenthalten.
Welcher Kuchen? dachte Frank, der diese Litanei schon tausendmal gehört hatte. Es gibt praktisch keinen Kuchen zuverteilen, wenn die halbe Familie im Knast sitzt und New York und Chicago ihr die Knochen abnagen wie die Geier.
Das war der Grund, weshalb Frank seine mageren Ersparnisse zusammengerafft und in den Fischhandel gesteckt hatte. Mike konnte sich darüber lustig machen, so viel er wollte, und behaupten, Frank würde nach Makrelen stinken, was aber nicht stimmte, a) weil er sich nach der Arbeit gründlich duschte, b) weil es im Pazifik keine Makrelen gab, aber er verdiente sauberes und sicheres Geld. Krumme Geschäfte brachten zwar ungleich mehr, wenn sie gut liefen, aber sie liefen nicht gut.
Und von weiter oben konnten sie auch keine Hilfe erwarten, weil der Mann im Weißen Haus seine eigenen Probleme hatte und wohl kaum bereit war, einem Haufen Mobster unter die Arme zu greifen.
Keine gute Zeit also, um Streitigkeiten im Sur auszutragen.
Aber genauso kam es.
Im Juni ’75, es war schon Sommer, bekam Frank einen Anruf aus Baps Telefonzellenbüro. »Du und Mike, bewegt eure Ärsche her, aber schnell!«
Frank hörte die Panik heraus und antwortete, sie könnten in einer halben Stunden in Pacific Beach sein.
»Nicht in Pacific Beach«, sagte Bap. »Im Sur. Und in voller Montur.«
Das Sur hatte sich in eine Festung verwandelt.
Bei der Auffahrt zum Hauptgebäude sah Frank ein halbes Dutzend Mafiosi, alle in Freizeitkleidung wie Gäste, aber so postiert, dass sie die Zufahrten kontrollierten. Und Frank wusste, dass sie unter den Polohemden, in den Kammgarnhosen, in Golftaschen oder Tennisbeuteln schweres Geschütz mit sich rumschleppten.
Frank parkte in einer Parkbucht gegenüber von Dorners Apartment. Bap hatte sie offenbar schon kommen sehen,denn er lief auf sie zu, bevor Frank auch nur den Motor abgeschaltet hatte.
»Kommt schon, kommt schon«, rief Bap und riss die Fahrertür auf.
»Was ist denn los?«
»Hoffa führt was im Schilde«, sagte Bap. »Könnte sein, dass er Dorner an den Kragen
Weitere Kostenlose Bücher