Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
einmal.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Frank. »Vielleicht auch nicht.«
Einmal machte er einen ernsthaften Versuch.
»Wir gehen auf ein paar Drinks, ein Dinner, sehen ein paar nette Shows«, sagte er. Und hinterher vielleicht ins Bett – ein bisschen mehr machen, als sich einfach nur wegdrehen und einschlafen.
»So treibst du es wohl mit deinen Flittchen?«, erwiderte sie darauf.
Es gab keine Flittchen, noch nicht, aber er machte sich nicht die Mühe, zu widersprechen. Soll sie denken, was sie will. Ist sowieso schon egal.
Also fuhr er allein nach Las Vegas.
Aber er blieb nie lange allein.
Er genoss die Einsamkeit der langen Fahrt, hörte seine Opernarien auf Kassette und sang mit, ohne jemanden zu stören. Und wenn er dann ankam, war er bereit für Unterhaltung, Entspannung, Geselligkeit.
Damals blieb man nur dann in Las Vegas allein, wenn man unbedingt allein bleiben wollte.
Also belegte er sein Zimmer, duschte, zog sich was an und fuhr rüber zu Herbies Bar.
Herbie hatte nämlich von seinem ergaunerten Geld einen kleinen, unscheinbaren Club gekauft, der zwischen Autowerkstätten versteckt lag, weit entfernt vom Strip, den Casinos und den wachsamen Blicken der Polizei, und genau das war der Punkt. Herbies Bar sollten nur die kennen, die sie kennen sollten, und wenn sich ein Tourist oder Anwohner, der auf seine Autoreparatur wartete, in die Bar verirrte, bekam er die freundliche, aber entschiedene Auskunft, er sei hier nicht erwünscht, und war sofort wieder draußen.
Herbies Bar war eine Mobster-Bar, und fertig.
Aus dem einen oder anderen Grund wurde sie zum Lieblingsaufenthalt für die Jungs aus Kalifornien. Sie waren aus dem Knast entlassen, lebten jetzt alle in Vegas – und das auf großem Fuß.
Mike war wieder da – war fest nach Vegas gezogen, weil er hier seine große Chance witterte, und hockte den ganzen Tag mit Peter Martini alias Mouse senior zusammen, der gerade zum Boss befördert worden war. Peters Bruder Carmen war meist mit von der Partie, ebenso deren Neffe Bobby, ein Nachtclub-Sänger.
Und natürlich saß da Herbie mit seinen Kreuzworträtseln und mit Sherm Simon in der Ecke, die bald »Little Israel« genannt wurde.
Es gab also eine Menge Jungs, mit denen man rumhängen konnte. Manchmal setzte sich Frank an einen der Tische und hörte sich das Gequatsche an, aber meistens stand er in der Küche und kochte.
Das waren seine besten Stunden, wenn er am Herd stand, die Jungs reden ließ und linguine con vongole hinzauberte, spaghetti all’amatriciana , baccalà alla bolognese und polpo con limone e aglio . Fast wie in den alten Zeiten, als er noch ein Junge war, das Little Italy von San Diego noch existierte und die Leute noch richtige Mahlzeiten kochten.
Weil Frank immer mehr arbeitete und immer weniger Zeit zu Hause verbrachte, fehlte ihm das Kochen sehr, überhaupt hatten er und Patty sich angewöhnt, getrennt zu essen. Herbies Küche war wunderschön eingerichtet, und er besorgte die besten Zutaten, daher war es eine Lust und ein Vergnügen für ihn, für alle zu kochen.
Und nebenbei den Jungs zuzuhören – ihren Unterhaltungen, ihren Späßen, ihren Streitereien.
Mit den Mobstern rumhängen, dachte Frank, das ist, als wäre man für immer in der achten Klasse hängengeblieben. Es ging ständig um Sex, Essen, stinkende Fürze, Mädchen, Homos und zu kleine Schwänze.
Und natürlich ums Geschäft.
Das einzige, was bei Herbie noch hitziger diskutiert wurde als neue Pastarezepte, waren neue Verbrechen. Die meisten Pläne funktionierten zwar nicht – sie waren nur Gerede –, aber manche schon. Es gab den Versuch, in die legale Prostitution im Norden der Stadt einzusteigen, den Plan, Maschinenpistolen an Motorrad-Gangs zu vertickern, eine sehr ernsthafte Debatte darüber, wie man gefälschte Kreditkarten herstellte, doch Franks absoluter Favorit wardas Ding, das Mike drehen wollte – der Diebstahl von dreitausend T-Shirts und zweihundert Fernsehern aus dem Convention Center.
»Was willst du denn mit zweihundert Fernsehern anfangen?«, fragte er Mike, als die Sache tatsächlich gelaufen war.
»Und mit dreitausend T-Shirts«, ergänzte Mike.
Das wollte Frank als Erstes fragen, hatte dann aber gemerkt, wie dumm die Frage war – etwa so dumm wie die Frage, warum man den Mount Everest besteigt. Die Antwort hieß natürlich: »Weil er dasteht.« Die Wahrheit war, dass die Jungs alles nahmen, sogar Zeug, das sie nicht wollten und nicht brauchten, nur weil sie es mitnehmen
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