Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
seinen eigenen Namen kannte.« Hoffmann verzog angewidert das
Gesicht, »nach dem dritten Mal hab ich aufgehört zu zählen, wie oft der die
Zelle vollgekotzt hat.«
»Bringt
auch nix – der Gestank bleibt der Gleiche.«
Die
Männer tauschten wortlose Blicke. Wenig später war es Hoffmann, der das
Schweigen brach: »Sie wissen doch ganz genau, dass ich mit der Sache nichts zu
tun hab – was wollen Sie also von mir?«
»Ich hab
in Ihrem Gesicht gesehen, dass Sie vielleicht mehr wissen, als Sie zugeben.«
Wegner beugte sich vor und schaute seinem Gegenüber fest in die Augen. »Das
will ich wissen ... ich will wissen, was Sie darüber denken!«
Hoffmann
lehnte sich zurück und atmete tief ein. »Es ist nur eine Vermutung«, er zögerte
kurz und atmete jetzt pfeifend aus, »wenn ich mich nicht irre, dann kommt der
Junge vom Schwulenstrich ... dafür hab ich `ne Antenne.«
»Woher?«
»Woher
was?«
»Woher
Sie diese Antenne haben«, wollte Wegner wissen.
»Nachdem
ich mit siebzehn aus einer Pflegefamilie nach der anderen geflogen bin, hab ich
selbst fast drei Jahre mein Geld zusammengebückt. Ich weiß, wie die Jungs
aussehen und was sie auszuhalten haben.«
Der
Hauptkommissar schwieg beharrlich. Schweigen löste manche Zunge weitaus
schneller als überflüssige Fragen.
»Die
Handschellen, die geschminkten Lippen ... alles eben.«
Dass der
tote Junge Lippenstift trug, war Wegner nicht einmal aufgefallen. Jetzt nahm er
den Obduktionsbericht zur Hand, den ihm Dieter Specht, der Gerichtsmediziner,
erst vor ein paar Minuten hereingereicht hatte. Seite für Seite las er in aller
Ruhe und merkte, wie Axel Hoffmann immer nervöser auf seinem Stuhl
herumrutschte.
»Sie
waren es nicht«, begann der Hauptkommissar dann in ruhigem Ton, »Ihre DNA
stimmt nicht überein.«
»Das ist
keine Neuigkeit – das wusste ich vorher.«
»Der
Junge ist ganz langsam erstickt und war, zum Zeitpunkt seines Todes, ohnehin
bereits mehr tot als lebendig.« Wegner zögerte einen Moment lang. »Sind Sie Männern
begegnet, die zu solch einer Tat fähig sind ... in Ihrer aktiven Zeit?«
Axel
Hoffmann erzählte fast eine halbe Stunde über das unfassbare Grauen auf dem
Schwulenstrich. Jeder Tag war nur eine Gratwanderung zwischen Drogen, Hunger
und brutalem Sex, der nötig war, um irgendwie an die Kohle für den nächsten
Schuss zu kommen. Als er schloss, liefen ihm schon seit Minuten die Tränen über
das Gesicht. »Wer das gesehen hat, kennt die Hölle oder wünscht sich an manchem
Tag sogar dorthin, denn schlimmer kann`s da kaum sein.«
Wegner
starrte Axel Hoffmann eine ganze Weile in die Augen. Nach diesen Beschreibungen
fiel es ihm sichtlich schwer, passende Worte zu finden. »Fahren Sie nachhause.
Ich hab heut Morgen mit Ihrem Chef gesprochen – man erwartet Sie, am Montag –
in alter Frische.«
***
»Ich bin
bis in die Nacht fast überall gewesen – hab jeden gefragt ...«
»Und?«
»Nichts!
Keine Spur oder auch nur ein Lebenszeichen von Thomas«, Sven schien wirklich
ernsthaft besorgt um seinen Kumpel.
»Ich halt
die Augen offen und sprech jeden an, den ich treffe. Irgendwo muss er doch
geblieben sein.« Tim machte sich zum Gehen auf, »ich muss was verdienen ...
langsam seh ich schon Sterne, ohne `n Schuss.«
Sven
blieb frustriert vor der Wandelhalle sitzen und starrte auf die Menschenmassen,
die hinein- und hinausströmten. Wirklich wahrnehmen konnte und wollte er keine
der vorüberlaufenden Personen. Selbst wenn ihm hier seine eigene Mutter
entgegenkäme, würde er diese kaum erkennen. Jedes der Gesichter sah gleich aus
und keines davon strahlte etwas Positives auf ihn aus. Einziger Lichtblick für
ihn war, dass er in der Lage war, der Sucht zu widerstehen. Hin und wieder,
wenn Kälte und Einsamkeit zu arg an seinem Gemüt zerrten, setzte er sich einen
Schuss und genoss einfach die Scheißegalstimmung und Euphorie danach. Aber
anders als bei den anderen hatte er am Tag darauf nicht das Verlangen nach
einer weiteren Spritze – ganz im Gegenteil. Selbst geschenkt hätte er in den
Wochen darauf das Zeug nicht genommen, bestenfalls um es zu verkaufen und mal
für einen Tag nicht den Arsch hinhalten zu müssen.
Den
letzten Schuss hatte er sich zusammen mit Thomas gedrückt. In ihren Träumen
hatten sie sich dann vorgestellt, wie es sein könnte, ein normales Leben zu
führen. Jenseits der Straße – vielleicht sogar mit einer richtigen Freundin und
einem Hund. Die halbe Nacht hatte Thomas danach weinend in
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