Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
dann heulend davongerannt.
Auf
solche Erfahrungen konnte Gerber an diesem Abend gerne verzichten. Bevor er sich
wieder so eine Nullnummer aufhalste, würde er lieber auf ein paar der
einschlägigen Pornofilme zurückgreifen, die zuhauf auf der Festplatte seines
privaten Laptops schlummerten.
Von
dieser Idee inspiriert wollte er fast schon umdrehen, als ihm ein Junge auf der
anderen Straßenseite auffiel. Der Bursche unterhielt sich fröhlich lachend mit
einem Freier, der mit offenem Autofenster direkt am Bordstein stand. Die beiden
schienen zu diskutieren. Wahrscheinlich ging es um das Honorar. Noch waren sie
sich nicht einig, das erkannte Gerber deutlich. Eilig zog er einen Hunderter
hervor, der hoffentlich ausreichen sollte, um den Jungen davon zu überzeugen,
dass er der Richtige wäre, als dieser nun munter in den Wagen sprang, der
augenblicklich davonraste. Wie ein begossener Pudel stand Gerber danach mitten
auf der Straße und machte erst Platz, als er durch mehrfaches Hupen dazu
aufgefordert wurde.
Wie
sollte es jetzt weitergehen? Der Junge war ein absoluter Volltreffer – besser
sogar als der Letzte.
Nach kurzer
Überlegung beschloss er zu warten. So lange dürfte es wohl kaum dauern, bis er
den Jungen, vermutlich genau hier, wiederentdecken würde. Zu einer rauschenden
Liebesnacht mit Erdbeeren und Champagner waren die beiden sicherlich nicht
aufgebrochen.
***
Sven
hatte noch bis nach zehn gewartet. Als sein Freund Thomas auch an diesem Morgen
nicht auftauchen wollte, fasste er all seinen Mut zusammen und brach zur Wache
am Hauptbahnhof auf. Mit wackeligen Beinen stand er nun am Tresen und starrte zu
einem riesigen Polizisten empor, der ihn wie ein ekliges Insekt beäugte.
»Was
willst du ... und mach schnell, ich will in Ruhe frühstücken«, mit einem
ähnlich herzlichen Empfang hatte Sven bereits gerechnet und blieb deshalb
relativ ruhig.
»Mein
Freund ist verschwunden«, begann er mit zittriger Stimme, »er ist weg – schon
seit ein paar Tagen.«
Der
Polizist schaute ihn gelangweilt an. Sein Blick drückte Desinteresse, aber auch
Spott aus, den Sven von vielen Menschen kannte, die ihm tagtäglich begegneten.
»Es muss
etwas passiert sein – da bin ich ganz sicher!«, fügte er kleinlaut hinzu.
»Ich
kann dir sagen, was passiert ist. Dein Tuckenkumpel hat sich `n Schuss gesetzt
und liegt irgendwo unter `ner Brücke, um dort zu verrotten.« Der Polizist
grinste schmierig. »Nein besser: Er hat sich anständig in den Arsch ficken
lassen und sich danach verliebt. Jetzt liegt er mit seinem Lover auf Mallorca
und lässt sich die Sonne auf den schwulen Arsch scheinen – oder so ähnlich –
such dir was aus?« Der Beamte hatte so laut gesprochen, dass nun auch seine
hinter ihm sitzenden Kollegen in das Gelächter mit einfielen.
Sven
spürte Wut in sich aufsteigen. Am liebsten hätte er dem Kerl, Polizist hin oder
her, kommentarlos was auf die Fresse geschlagen. Stattdessen besann er sich
jedoch und atmete tief durch. »Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben – das
wird doch wohl möglich sein.«
Schallendes
Gelächter erfüllte die komplette Wache. Der Polizist beugte sich zu ihm vor,
sodass Sven nun sogar seinen schlechten Atem riechen konnte. »Sonst noch was?
Komm doch einfach hinter den Tresen, setz dich und trink erst mal einen
kräftigen Kaffee. Danach fahren wir zusammen durch die Stadt und suchen deinen
schwulen Freund – einverstanden?« Das schmierige Grinsen, wenn überhaupt
möglich, nahm ein weiteres Mal zu.
Der
Junge wollte gerade etwas erwidern, als ein anderer Beamter von weiter hinten
hinzukam. Er hielt ein Fax in der Hand und legte es seinem Kollegen wortlos vor
die Nase. Obwohl das knitterige Blatt verkehrt herum lag, konnte Sven den toten
Jungen auf dem Foto sofort erkennen. Seine Beine wurden weich. Noch bevor er
sich versah, wurde ihm schwarz vor Augen und er sackte kraftlos vor dem Tresen
zusammen.
10
F ast wie ein Turban wirkte der
mächtige Kopfverband, mit dem Stefan Hauser an diesem Morgen das Büro betrat.
»Bist du
von allen guten Geistern verlassen, Stefan. Du willst mir doch nicht allen
Ernstes erzählen, dass du hier bist, um Dienst zu schieben«, protestierte
Wegner energisch.
»Ich
halte es zuhause eben nicht aus. Was soll ich machen – Martin geht mir schon
seit Wochen einfach nur noch auf den Sack.«
»Ich
dachte darauf steht Ihr«, frotzelte Wegner grinsend.
Hauser
atmete geräuschvoll aus. »Jetzt weiß ich wieder, was ich
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