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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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es nur einmal hören, mit welcher Verehrung mein Meister von Euch spricht; Ihr solltet es nur wissen können, wie vortrefflich Ihr mir vorkommt, welch Gewicht bei mir jedes Eurer Worte hat. Wie viele Künstler dürfen sich denn mit Euch messen? Wer auf solche Stimmen nicht hörte, verdiente gar nicht, Euch so gegenüberzusitzen, mit Euch zu sprechen, und diese Freundschaft und Güte zu erfahren.«
    »Ihr seid jung«, sagte Lukas, »und Euer Wesen ist mir ungemein lieb, es gibt wenige solcher Menschen, die meisten betrachten die Kunst nur als ein Spielwerk, und uns als große Kinder, die albern genug bleiben, um sich mit derlei Possen zu beschäftigen. – Aber laßt uns auf etwas anderes kommen, ich bin jetzt überdies müde zu malen. Ich habe einen Kupferstich von Eurem Albert erhalten, der mir bisher noch unbekannt war. Es ist der heilige Hubertus, der auf der Jagd einem Hirsche mit einem Kruzifixe zwischen dem Geweih begegnet, und sich bei diesem Anblicke bekehrt und seine Lebensweise ändert. Seht hierher, es ist für mich ein merkwürdiges Blatt, nicht bloß der schönen Ausführung, sondern vorzüglich der Gedanken halber, die für mich darin liegen. Die Gegend ist Wald, und Dürer hat einen hohen Standpunkt angenommen, weshalb ihn nur ein Unverständiger tadeln könnte, denn wenn auch ein dichter Wald, wo wir nur wenige große Bäume wahrnähmen, etwas natürlicher beim ersten Anblicke in die Augen fallen dürfte, so könnte doch das nimmermehr das Gefühl der völligen Einsamkeit so ausdrücken und darstellen, wie es hier geschieht, wo das Auge weit und breit alles übersieht, einzelne Hügel und lichte Waldgegenden, und oben in der Ferne die sonderbare Burg, mit ihrer auffallenden Bauart. Es ist, als wenn die tote Natur hier das ganze menschliche Leben überschaute. Ich glaube auch, daß manche Leute, die mehr guten Willen vernünftig zu sein als Verstand haben, den gewählten Gegenstand selbst als etwas Albernes tadeln dürften: ein Rittersmann, der vor einer unvernünftigen Bestie kniet. Aber das ist es gerade, was mir so sehr daran gefällt. Es ist etwas so Unschuldiges, Frommes und Liebliches darin, wie der Jagdmann hier kniet, und das Hirschlein mit seiner kindischen Physiognomie so unbefangen dreinsieht, im Kontrast mit der heiligen Ehrfurcht des Mannes; dies erweckt ganz eigene Gedanken von Gottes Barmherzigkeit, von dem grausamen Vergnügen der Jagd, und dergleichen mehr. Nun beobachtet einmal die Art, wie der Ritter niederkniet; es ist die wahrste, frommste und rührendste: mancher hätte hier wohl seine Zierlichkeit gezeigt, wie er Beine und Arme verschiedentlich zu stellen wüßte, so daß er durch Annehmlichkeit der Figur sich gleichsam vor jedem entschuldigt hätte, daß er ein so törichtes Bild zu seinem Gegenstande gemacht. Denn manche zierliche Maler sind mir so vorgekommen, daß sie nicht sowohl verschiedentliche Bilder ausführen, als vielmehr nur die Gegenstände brauchen, um immer wieder ihre Verschränkungen und Niedlichkeiten zu zeigen; diese putzen sich mit der edlen Malerkunst, statt daß sie ihr freies Spiel und eine eigene Bahn gönnen sollten. So ist es nicht mit diesem Hubertus beschaffen. Seine zusammengelegten Beine, auf denen er so ganz natürlich hinkniet, seine gleichförmig aufgehobenen Hände sind das Wahrste, was man sehen kann; aber sie haben nicht die spielende Anmut, die manche der heutigen Welt über alles schätzen.«
    Lukas ward durch den Besuch von einigen Freunden unterbrochen, mit denen er und Franz sich zu Tische setzten. Man lachte und erzählte viel, von der Malerei ward nur wenig gesprochen.

Drittes Kapitel
    Franz hielt sich längere Zeit in Leiden auf, als er sich vorgenommen hatte, denn Meister Lukas hatte ihm einige Konterfeie zu malen übergeben, die Franz zu dessen Zufriedenheit beendigte. Beide hatten sich oft von der Kunst unterhalten, Franz liebte den Niederländer ungemein, aber doch konnte er in keiner Stunde das Vertrauen zu ihm fassen, das er zu seinem Lehrer hatte, er fühlte sich in seiner Gegenwart gedemütiget, seine freiesten Gedanken waren gefesselt, selbst Lukas' fröhliche Laune konnte ihn ängstigen, weil sie von der Art, wie er sich zu freuen pflegte, so gänzlich verschieden war. Er kämpfte oft mit der Verehrung, die er vor dem niederländischen Meister empfand, denn er schien ihm in manchen Augenblicken nur ein Handwerker zu sein; wenn er dann wieder den hurtigen erfinderischen Geist betrachtete, den nie rastenden Eifer, die Liebe zu

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