Franz Sternbalds Wanderungen
steht.
Jenseit, jenseit, ist der Himmel heiter,
Treibt mich rege Sehnsucht weiter.
Schau dich um, und laß die trüben Blicke,
Sieh, da liegt die große weite Welt,
In der Stadt blieb alles Graun zurücke,
Das den Sinn gefangenhält.
Endlich wieder Himmel, grüne Flur,
Groß und lieblich die Natur.
Auch ein Mädchen muß dich nimmer quälen,
Kömmst ja doch zu Menschen wieder hin,
Nirgend wird es dir an Liebe fehlen,
Ist dir Lieben ein Gewinn:
Darum laß die trüben Blicke,
Allenthalben blüht dein Glücke.
Immer munter, Freunde, munter,
Denn mein Mädchen wartet schon;
Treibt den Fluß nur rasch hinunter,
Denn mich dünkt, mich lockt ihr Ton.
Günstig sind uns alle Winde,
Stürme schweigen, Lüfte säuseln linde.
Siehst du die Sonne nicht
Glänzen im Bach?
Wo du bist, spielt das Licht
Freundlich dir nach.
Durch den Wald Funkelschein,
Sieht in den Quell;
Kuckt in die Flut hinein,
Lacht drum so hell.
So auch der Liebe Licht
Wandelt mit dir,
Löschet wohl nimmer nicht.
Ist dorten bald hier.
Liebst du die Morgenpracht,
Wenn nach der schwarzen Nacht
Auf diamantner Bahn
Die Sonne ihren Weg begann?
Wenn alle Vögel jubeln laut,
Begrüßen fröhlich des Tages Braut,
Wenn Wolken sich zu Füßen schmiegen,
In Brand und goldnem Feuer fliegen?
Auch wenn die Sonne nun den Wagen lenkt,
Und hinter ihr das Morgenrot erbleicht,
Lust, Heiterkeit durch alle Welt hin fleugt,
Bis sich zum Meer die Göttin senkt.
Und dann funkeln neue Schimmer
Über See und über Land,
Erd und Himmel im Geflimmer
Sich zu einem Glanz verband.
Prächtig mit Rubinen und Saphiren,
Siehst du dann den Abendhimmel prangen,
Goldenes Geschmeide um ihn hangen,
Edelsteine Hals und Nacken zieren,
Und in holder Glut die schönen Wangen.
Drängt sich nicht mit stillem Licht der Chor
Aller Sterne, ihn zu sehen, vor?
Jubeln nicht die Lerchen ihre Lieder,
Tönt nicht Fels und Meer Gesänge wider? –
Also wenn die erste Liebe dir entschwunden,
Mußt du weibisch nicht verzagen,
Sondern dreist dein Glücke wagen,
Bald hast du die zweite aufgefunden,
Und kannst du im Rausche dann noch klagen:
›Nie empfand ich was ich vor empfunden?‹
Nie vergißt der Frühling wiederzukommen,
Wenn Störche ziehn, wenn Schwalben auf der Wiese sind.
Kaum ist dem Winter die Herrschaft genommen,
So erwacht und lächelt das goldene Kind.
Dann sucht er sein Spielzeug wieder zusammen,
Das der alte Winter verlegt und verstört,
Er putzt den Wald mit grünen Flammen,
Der Nachtigall er die Lieder lehrt.
Er rührt den Obstbaum mit rötlicher Hand,
Er klettert hinauf die Aprikosen-Wand,
Wie Schnee die Blüte rot unter die Blätter dringt,
Er schüttelt froh das Köpfchen, daß ihm die Arbeit gelingt.
Dann geht er und schläft im waldigen Grund,
Und haucht den Atem aus, den süßen,
Um seinen zarten roten Mund
Im Grase Viol' und Erdbeer sprießen:
Wie rötlich und bläulich lacht
Das Tal, wann er erwacht!
In den verschloßnen Garten
Steigt er übers Gitter in Eil,
Mag auf den Schlüssel nicht warten,
Ihm ist keine Wand zu steil.
Er räumt den Schnee aus dem Wege,
Er schneidet das Buchsbaumgehege,
Und friert auch am Abend nicht,
Er schaufelt und arbeitet im Mondenlicht.
Dann ruft er: ›Wo säumen die Spielkameraden
Daß sie so lange in der Erde bleiben?
Ich habe sie alle eingeladen,
Mit ihnen die fröhliche Zeit zu vertreiben.‹
Die Lilie kommt und reicht die weißen Finger,
Die Tulpe steht mit dickem Kopfputz da,
Die Rose tritt bescheiden nah,
Aurikelchen und alle Blumen, vornehm und geringer.
Der bunte Teppich ist nun gestickt,
Die Liebe tritt aus Jasminlauben hervor.
Da danken die Menschen, da jauchzet der Vögel ganzes Chor,
Denn alle fühlen sich beglückt.
Dann küßt der Frühling die zarten Blumenwangen,
Und scheidet und spricht: ›Ich muß nun gehn.‹
Da sterben sie alle am süßen Verlangen,
Daß sie mit welken Häuptern stehn.
Der Frühling spricht: ›Vollendet ist mein Tun,
Ich habe schon die Schwalben herbestellt.
Sie tragen mich in eine andre Welt,
Ich will in Indiens duftenden Gefilden ruhn.
Ich bin zu klein, das Obst zu pflücken,
Den Stock der schweren Traube zu entkleiden,
Mit der Sense das goldene Korn zu schneiden,
Dazu will ich den Herbst euch schicken.
Ich liebe
Weitere Kostenlose Bücher