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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Fahrt zu verkürzen, Geschichten oder Märchen erzählen. Alle trauten dem Rudolph zu, daß er am besten imstande sei, ihr Begehren zu erfüllen; sie ersuchten ihn daher alle und auch Franz vereinigte sich mit ihren Bitten. »Ich will es gern tun«, antwortete Rudolph, »allein es geht mir mit meiner Geschichte, wie mit meinem Liede, sie wird keinem recht gefallen.« Alle behaupteten, daß er sie gewiß unterhalten werde, er solle nur getrost anfangen. Rudolph sagte: »Ich liebe keine Geschichte, und mag sie gar nicht erzählen, in der nicht von Liebe die Rede ist. Die alten Herren aber kümmern sich um dergleichen Neuigkeiten nicht viel.«
    »O doch«, sagte Vansen; »nur finde ich es in vielen Geschichten der Art unnatürlich, wie die ganze Erzählung vorgetragen wird; gewöhnlich macht man doch zu viel Aufhebens davon, und das ist, was mir mißfällt. Wenn es aber alles so recht natürlich und wahr fortgeht, so kann ich mich sehr daran ergötzen.«
    »Das ist es gerade«, rief Rudolph aus, »was ich sagte! Die meisten Menschen wollen alles gar zu natürlich haben, und wissen doch eigentlich nicht, was sie sich darunter vorstellen; sie fühlen den Hang zum Seltsamen und Wunderbaren, aber doch soll das alles wieder alltäglich werden: sie wollen wohl von Liebe und Entzücken reden hören, aber alles soll sich in den Schranken der Billigkeit halten. Doch, ich will nur meine Geschichte anfangen, weil ich sonst selber die Schuld trage, wenn ihr zu viel erwartet. – –
    Die Sonne ging eben auf, als ein junger Edelmann, den ich Ferdinand nennen will, auf dem freien Felde spazierte. Er war damit beschäftigt, die Pracht des Morgens zu beschauen, wie sich nach und nach das Morgenrot und das lichte Gold des Himmels immer brennender zusammendrängten und immer höher leuchteten. Er verließ gewöhnlich an jedem Morgen sein Schloß, auf dem er unverheiratet und einsam lebte, seine Eltern waren vor einiger Zeit gestorben. Dann setzte er sich gewöhnlich in dem benachbarten Wäldchen nieder, und las einen der italienischen Dichter, die er sehr liebte.
    Jetzt war die Sonne heraufgestiegen, und er wollte sich eben nach dem einsamen Waldplatze begeben, als er aus der Ferne einen Reuter heransprengen sah. Auf dem Hute und Kleide des Reitenden glänzten Gold und Edelgesteine im Schein des Morgens, und als er näher kam, glaubte Ferdinand einen vornehmen Ritter vor sich zu sehn. Der Fremde ritt eiligst vorüber und verschwand im Walde; kein Diener folgte ihm.
    Ferdinand wunderte sich noch über diese Eile, als er zu seinen Füßen im Grase etwas Glänzendes wahrnahm. Er ging hinzu und hob das Bildnis einer Dame auf, das mit kostbaren Diamanten eingefaßt war. Er ging damit nach dem Walde, indem er es aufmerksam betrachtete; er setzte sich an der gewohnten Stelle nieder, und vergaß sein Buch herauszuziehen, so sehr war er mit dem Bilde beschäftigt.«
    »Wie ich gesagt habe«, fiel Vansen ein, »die Malerei hat eine wunderbare Kraft über uns: das Bild wird gewiß trefflich gemalt gewesen sein. Aber sagt mir doch: was war dieser Edelmann für ein Landsmann?«
    »Je nun, ich denke«, antwortete Rudolph, »er wird wohl ein Deutscher gewesen sein, und jetzt erinnere ich mich deutlich, er war aus Franken.«
    »Nun so seid so gut, und fahrt fort.«
    »Er kam nach Hause und aß nicht. Leopold, sein vertrautester Freund, besuchte ihn, aber er sprach nur wenig mit diesem. ›Warum bist du so in Gedanken?‹ fragte Leopold. ›Mir ist nicht wohl‹, antwortete jener, und mit dieser Antwort mußte der Freund zufrieden sein.
    So verstrichen einige Wochen und Ferdinand ward mit seinen Worten immer sparsamer. Sein Freund wurde besorgt, denn er bemerkte, daß Ferdinand alle Gesellschaften vermied, daß er fast beständig im Walde oder auf der Wiese lebte, daß er jedem Gespräche aus dem Wege ging. An einem Abende hörte Leopold folgendes Lied singen. Ihr habt wohl nichts dagegen, daß ich es gleich selbst absinge, es nimmt sich dadurch besser aus.
Soll ich harren? Soll mein Herz
    Endlich brechen?
Soll ich niemals von dem Schmerz
    Meines Busens sprechen?
    Warum Zittern? Warum Zagen?
    Träges Weilen?
Auf, dein höchstes Glück zu wagen!
    Flügle deine Eile!
    Suchen werd ich: werd ich finden?
    Nach der Ferne
Treibt das Herz; durch blühnde Linden
    Lächeln dir die Sterne.
    Leopold hörte aufmerksam dem rätselhaften Liede zu; dann ging er in den Wald hinein, und traf seinen Freund in Tränen. Er ward bei diesem

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