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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Toten wissen nichts, sie verdienen auch nichts mehr, denn ihr Gedächtnis ist vergessen; daß man sie nicht mehr liebet, noch hasset, noch neidet, und haben kein Teil mehr auf der Welt, in allem was unter der Sonnen geschieht. So gehe hin, und iß dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut, denn dein Werk gefällt Gott. Laß deine Kleider immer weiß sein, und deinem Haupte Salbe nicht mangeln. Brauche des Lebens mit deinem Weibe das du liebhast, solange du das eitel Leben hast, das dir Gott unter der Sonnen gegeben hat, solange dein eitel Leben währet, denn das ist dein Teil im Leben, und in deiner Arbeit, die du tust unter der Sonnen. Alles was dir vorhanden kommt zu tun, das tue frisch, denn in dem Tode, da du hinfährst, ist weder Werk, Kunst, Vernunft noch Weisheit.« –
    Liebster Franz, höher bringt es der Mensch gewiß niemals, dies ist die Weisheit.
    Ich habe einen Nürnberger Hans Sachs kennengelernt, einen wackern Mann, er hat sich auf die Kunst der Meistersänger gelegt, dabei ist er ein großer Freund der Reformation, er ist Bürger und Schuhmacher allhier. Doch muß nach meinem Dafürhalten die Dichtkunst anders aussehn, als sie in seinen Versen erscheint. Wo find ich einmal in deutscher oder fremder Zunge, was meine lechzende durstige Brust so recht durch und durch erquickt und sättigt?
    Lebe wohl, und gib mir bald Nachrichten von Dir; Deine Briefe können mir niemals zu weitläuftig sein. –
    Sebastian.
     
    Dieser Brief versetzte den jungen Maler in ein tiefes Nachsinnen: er wollte seinem Gemüte nicht recht eindringen, und er fühlte fast etwas Fremdes in der Schreibart, das sich seinem Geiste widersetzte. Es quälte ihn, daß alles Neue mit einem zu gewaltsamen Eindrucke auf seine Seele fiel, und ihr dadurch die freie Bewegung raubte. So lag ihm auch wieder die Gesinnung und das Betragen des Meister Lukas in den Gedanken, manches in Sebastians Briefe schien ihm damit übereinzustimmen, und in solchen Augenblicken des Gefühls kam er sich oft in der Welt ganz einsam vor: er mochte sich es mit Gedanken nicht deutlich sagen, aber von Lukas' Fröhlichkeit und Sebastians Weisheit und Trost wandte sich sein Herz weg, weil sie dessen Sehnsucht als Verzweiflung erschienen.
    Wunderlich seltsam ist das Leben der Jugend, die sich selbst nicht kennt. Sie verlangt, daß die ganze übrige Welt, wie ein einziges Instrument, mit ihren Empfindungen eines jeden Tages zusammenstimmen soll, sie mißt sich mit der fremdartigsten Natur, und ist nur zu oft unzufrieden, weil sie allenthalben Disharmonie zu hören glaubt. Sich selbst genug, sucht sie doch außenwärts einen freundlichen Widerhall, der antworten soll, und ängstigt sich, wenn er ausbleibt.
    Er ging nach einiger Zeit in das Haus zurück. Dürer war schon wieder munter, und beide suchten den Meister Lukas in seiner Malerstube auf. Er saß bei seiner Zeichnung. Franz verwunderte sich sehr über den kunstreichen Mann, der in so kurzer Zeit so viel hatte arbeiten können: die Zeichnung war beinah fertig und mit großem Feuer entworfen. Dürer betrachtete sie und sagte: »Ihr scheint recht zu haben, Meister Lukas, daß sich nach einem guten Trunke besser arbeiten läßt, ob ich es gleich noch nie versucht habe; denn mir steigt der Wein in den Kopf und verdunkelt mir den Gedanken.«
    »Man muß sich nur nicht stören lassen«, sagte Lukas, »wenn einem auch anfangs etwas wunderlich dabei wird, sondern dreist fortfahren, so findet man sich bald in die Arbeit hinein, und alsdann gerät sie gewißlich besser.«
    Die drei Künstler blieben mit den Frauen auch am Abend zusammen, und setzten ihre Gespräche fort. Franz war gedrückt von dem Gedanken, daß er morgen abreisen müsse: so wie er unvermuteterweise seinen Dürer gefunden hatte, sollte er ihn jetzt ebenso plötzlich zum zweiten Male verlassen: er sprach daher wenig mit, auch aus dem Grunde, weil er zu bescheiden war.
    Es war spät, der Mond war eben aufgegangen als man sich trennte. Franz nahm von Lukas Abschied, dann begleitete er seinen Lehrer nach seiner Herberge. Dürer kehrte vor dem Hause wieder um, sie durchstrichen einige Straßen und kamen dann auf einen Spaziergang der Stadt.
    Der Mond schien schräge durch die Bäume, die beinah schon ganz entblättert waren; sie standen still, und Franz fiel seinem Meister mit Tränen an die Brust. »Was ist dir?« fragte Dürer, indem er ihn in seine Arme schloß. »O liebster, liebster Albrecht«, schluchzte Franz, »ich kann mich nicht darüber

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