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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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schuld an allem: ist es doch nicht anders, als wäre damals von Eurer Zunge Gift durch meine Ohren in meinen Körper geflossen, daß sich seitdem alle meine Sinne verdreht und verschoben haben, und ich darüber ein ganz anderer Mensch geworden bin. Seit ich Euren Dürer sah, hatte ich keine Ruhe mehr in mir selber, es war, als wenn es an allen meinen Sinnen zöge und arbeitete, daß ich immer an Malereien und Zeichnungen denken mußte; an nichts in der Welt fand ich mehr Gefallen, die Schmiedearbeit war mir zur Last. Ich zeichnete täglich etwas, und selbst in der Krankheit kann ich es nicht lassen; seht, da habe ich eine herrliche Figur von Lukas von Leyden.«
    Franz betrachtete sie; der junge Mensch hatte sie sehr gut kopiert, und Franz verwunderte sich darüber, daß er es ohne allen Unterricht so weit habe bringen können. Der Schmied fuhr fort: »So kam ich nach Antwerpen zurück und nichts war mir hier recht. Ich hatte immer noch den Dürer und seine Werkstätte im Kopf, es kam so weit, daß ich mich meines Hammers schämte, ich verdarb die Arbeit, ich konnte nicht mehr fort. Es lebt hier der alte Messys, der Maler, der auch ein Schmied gewesen ist. Ich wollte auch nicht mehr arbeiten, denn jeder Schlag auf dem Amboß ging mir durch Herz und Gehirn, weil ich glaubte, daß ich mit jedem meine Hand schwerer und unbehülflicher machte, und darüber noch weniger würde zeichnen können. Ich warf den Hammer weg, wie meinen ärgsten Feind. Nun kamen und gingen mir Bilder hin und her, und auf und ab; alles wollte ich in Gedanken malen, ich träumte von großen Sälen, die alle dicht voll Schildereien hingen, die ich gemacht hatte. Das war aber noch nicht das größte Unglück, daß ich mich schon unter den übrigen Menschen wie ein Halbverrückter umtrieb. Bis dahin hatte es auf mir nur noch wie auf kaltem Eisen gehämmert, aber nun kam ich in die Glut, und da wurde vollends mein altes Wesen aus mir herausgebrannt und -geschlagen als wenn viele tausend Funken bei jedem Hiebe aus Brust und Herzen flogen. O Maler, ich habe viel ausgestanden.
    Seht, Freund, ich habe wohl sonst auch die Menschen, und Weiber und Mädchen mit einem scharfen, guten Auge angesehen, aber seit ich mich geübt hatte, daß ich in allen schönen Linien mit meiner Seele mitging, seit ich gefühlt hatte, was die wundersame Farbe bedeuten könne, und wie gleichsam ein ganzes Paradies von Wangen und Lippen und ein ewiges Firmament aus den Augen leuchten könne, da war ich ein verlorener Mensch, denn gerade um die Zeit, als dies Gefühl mich, möcht ich doch sagen wie ein heißes Fieber befiel, sah ich sie, Sara, bei schönem Sommerwetter in der Türe stehn. Ich hatte sie früher auch schon gesehn und immer gedacht: ›Ein schönes, reiches Mädchen!‹ aber sie blieb die Fremde, die mich nichts anging: – aber von jener Stunde an, Maler – doch Ihr begreift es nicht, wenn ich's auch sagen wollte: – von jenem Augenblick, als ich sie so im Vorbeigehn ansah und grüßte, wie oft geschehn war, und sie mich grüßte – seht, da flog aus ihrem Auge in meins, und in meine Seele eine Angst, eine Lust, ein ganzer Himmel hinein, so daß mir mein ganzes Wesen zu enge wurde, daß es wie tausend und aber tausend Frühlingsbäume und Blumenbeete in mir aufging, knospete, und mit allen Prachtfarben losbrach, und mein Herz von den unzähligen Blüten, wie vom dichtesten Regen überschüttet wurde, und meine Seele vor Duft, Farben und Glanz in süße matte Betäubung sank. Und nun stand sie ganz aufrecht in meinem Herzen, und dehnte und dehnte sich, und stellte sich auf die Zehen, und die goldenen Haare fielen herunter, und so war ich darin wie eingewickelt in meinem Fieberwahn, und sie war noch größer als Himmel und alle Bäume und Blumen. Ich konnte nichts mehr zeichnen, sie und immer nur sie saß mir im Blut, und quoll aus den Fingerspitzen, und sah ich dann, wie plump die knechtische grobe Hand sie hingestellt hatte, so warf ich das Blatt gegen die Wand, dann riß ich es wieder vom Boden auf, und küßte die Züge mit meinen Lippen weg. Nicht wahr, Maler, der Mensch kann ein rechter Narr sein, wenn es erst in ihm so recht reif dazu wird.
    Wunderbar! ich wußte es, daß auch in ihr was vorging, denn der blaue ewige Strahl war doch aus ihrer Seele in mich gegangen, und sie mußte fühlen, wie viel vom eigenen Herzen sie in mich gegossen hatte. So dachte ich, und so war es auch. Ich ging wieder vorüber: sie stand wie im Glanz, der sie rings umfloß, und es

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